factum sprach mit Pastor Günther Röhm darüber, wie Christen Kinder des Lichts sind – und wann es gilt, bei Unrecht die Stimme zu erheben und Gott mehr zu gehorchen als dem Staat.
Interview: Bettina Hahne-Waldscheck
25. Juli 2025

factum: Herr Röhm, Unsicherheit und Angst sind in diesen Zeiten keine Seltenheit. Was gibt uns Christen Hoffnung?

Günther Röhm: Ich bin überzeugt, dass Gott die Geschicke und die Geschichte dieser Welt lenkt. ER setzt Könige ein, und ER setzt Könige ab. Die Heilige Schrift bezeugt die Wirklichkeit Gottes, die wir mit unseren Augen und Sinnen nicht wahrnehmen können. Sie ist eine andere Dimension. Die Bibel zeigt, dass es diese andere Wirklichkeit gibt.

Für mich ist die Geschichte Israels und auch die der Kirchengeschichte ein gutes Beispiel, wie Gott aus seiner Dimension in das Weltgeschehen eingreift. Da gibt es immer wieder Zeiten des Niedergangs, und dann kommen wieder neue Aufbrüche, in denen sich Gott Menschen offenbart und diese erweckt. Im Alten Testament waren es die Propheten, zu denen Gott gesprochen hat und die immer wieder neue Aufbrüche eingeleitet haben. In der Kirchengeschichte sind es Augustinus, Franz von Assisi, Jan Hus, Martin Luther, Zwingli, Calvin – im Pietismus Philipp Jakob Spener, August Hermann Francke. Francke hat im Auftrag Gottes soziale Verantwortung übernommen und Waisenhäuser gegründet. Das sind nur einzelne Beispiele, wie Gott Menschen erweckt und neue Epochen einleitet. Die Bibel bezeichnet Menschen, die von dieser anderen Dimension wissen, als «Kinder des Lichts».

factum: Treffen Sie auch heute Menschen, die dieses innere Licht haben?

Röhm: Am Anfang meines Dienstes als Pastor besuchte ich eine alte Dame, die mir ihre Hiobsgeschichte erzählte. Sie hatte ihren Mann kurz vor dem Krieg verloren. Sie brachte dann ihre vier Kinder mit Näharbeiten durch den Krieg, doch dann kamen am Ende des Krieges drei ihrer Kinder um. Und dann sitzt sie vor mir und sagt: «Unser Gott macht keine Fehler.» Diese Erkenntnis, diese Offenbarung ist unter vielen Tränen und Schmerzen entstanden. Aber ihr ganzes Wesen hat dieses innere Licht ausgestrahlt.

Wenn ein Mensch mit ihrer Biografie das so sagen kann, dann ist das Grund zur Hoffnung. Als es mit der DDR zu Ende ging, besuchte ich eine andere alte Dame; die meinte, als sie geboren wurde, gab es noch den Kaiser, dann kam der erste Weltkrieg, dann die Weimarer-Zeit, dann das Dritte Reich, der zweite Weltkrieg – und jetzt gehe die DDR unter. «Aber Jesus bleibt!», sagte sie. Sie strahlte Weisheit aus. Ich habe solche Menschen im Laufe meines Dienstes immer wieder erlebt. Da ist ein Licht, das in ihnen leuchtet und sie eine Ruhe, Geborgenheit und Gelassenheit ausstrahlen lässt.

factum: Wunderschön. Ja, als Christen sollten wir Zuversicht ausstrahlen und damit auch auf andere ermutigend wirken. Wie gelingt das?

Röhm: Der Vers: «Ihr seid das Salz der Welt, ihr seid das Licht der Erde» ist ein Indikativ, kein Imperativ – also kein Befehl, sondern eine Seinsbeschreibung. Wenn ein Christ mit der Gegenwart Jesu in seinem Leben rechnet, dann rechnet er tatsächlich mit der anderen Dimension, dann strahlt er das aus, dann findet man in seiner Gegenwart Orientierung, er ist «ein Kind des Lichtes oder ein Kind des Tages». Dann kann ich gelassen sein in Jesus. Diese Hoffnung wirkt ansteckend. Paulus macht in 1. Thessalonicher 5,5 auch eine Seins-Aussage: «Ihr seid allzumal Kinder des Lichtes und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis ... wir aber, die wir des Tages sind, sollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.»

factum: Nüchtern sein und wachen heisst auch, nicht jeden gesellschaftlichen Trend mitmachen, erkennen, wenn etwas nicht im Willen Gottes oder widergöttlich ist ...

Röhm: Jesus sagt: «Wacht mit mir.» Mir sind da zwei Geschichten wichtig: In der Geschichte vom Seesturm sind die Jünger hellwach, als es um ihr eigenes Überleben geht. Die Wellen schlagen hoch, sie rudern wie verrückt, schreien, aber Jesus schläft. Die andere Geschichte spielt im Garten Gethsemane, da ist es äusserlich still, prompt schlafen die Jünger ein. Das sind für mich zwei Situationen oder zwei Bilder aus der Gemeinde. Wenn es ums eigene Überleben geht, bin ich wach, schaue, dass ich nicht untergehe, schreie, bete. Aber für Jesus ist das nicht unbedingt die Gefahr! In Gethsemane weiss Jesus um die wirkliche Gefahr, aber die Jünger schlafen.

Lesen Sie das ganze Interview in factum 04/2025