Ein kleines Engagement für das Recht auf Leben jedes Menschen kann eine grosse Wirkung haben. Dem Lied eines amerikanischen Folk-Duos verdanken Menschen ihr Leben. Auch wir sind gefragt.
Thomas Lachenmaier
11. Dezember 2019

Das Thema Abtreibung möchten die meisten Menschen nicht an sich heranlassen. Auch viele Christen wollen lieber nicht so genau wissen, was da eigentlich passiert, wollen Herz und Verstand nicht dafür öffnen, sich damit nicht belasten. Man spürt, dass man sich damit keine Freunde macht. Dennoch möchte ich dazu einladen, darüber nachzudenken, was es damit auf sich hat.

Warum kann das Recht der werdenden Mutter auf «Selbstbestimmung» gegen das Recht des Kindes auf Leben überhaupt in Stellung gebracht werden? Warum unterliegt das Ungeborene in diesem Wettstreit? Weil es sich nicht wehren kann.

Das Baby im Mutterleib ist vollkommen auf das Akzeptiertsein, auf Fürsorge und Liebe angewiesen. Es kann seine Stimme nicht erheben und protestieren. Abtreibung ist der Sieg des Stärkeren über den Wehrlosen. Es ist eine reine Frage der Macht. Und die Abtreibung an sich ist ein Akt ungeheuerlicher Brutalität, ein barbarischer Akt.

Macht auszuüben bedeutet, so der Soziologe Max Weber, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben, gegen den Willen und das Wollen anderer Menschen durchzusetzen. Machtstreben ist immer gegen Gott gerichtet, weil es ein Verkennen der eigenen Identität als Geschöpf bedeutet. Zu unserem Geschaffensein gehört nicht das Recht, andere Menschen unserem Willen zu unterwerfen. Die extremste Form von Machtausübung ist, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. Die extremste Form, gegen Gott zu handeln, ist, Leben auszulöschen. Denn Gott offenbart sich im Leben. Leben ist Gott heilig. Er identifiziert sich mit Leben.

Das ungeborene Baby im Mutterleib möchte leben. Niemand kann das infrage stellen. Dieser existenzielle Wunsch und dieses existenzielle und universale Recht zu leben wird ihm verwehrt. Ist nicht das eigentliche Motiv auch hinter dem Töten von Ungeborenen genau dies: das Ausüben von Macht zu erleben, indem man darüber bestimmt, wann die Lebensspanne eines anderen beendet ist? Die Ärzte, die, anstatt dem hippokratischen Eid zu folgen, sich darauf spezialisiert haben, von morgens bis abends ungeborene Menschen im Mutterleib zu töten, erfahren das Gefühl von Macht in extremer Weise. Geht es nicht zuletzt genau darum: Herr zu sein, oder Herrin zu sein, über Leben und Tod? Geht es am Ende nicht darum, sich an die Stelle Gottes zu setzen?

Warum ist es wichtig, dass wir uns als Christen nicht vor diesem schweren Thema scheuen? Nicht, weil wir uns damit über das schuldhafte Handeln anderer erhöhen könnten. Wir werden ja selber schuldig, mögen es auch andere Sünden sein, derer wir uns schuldig gemacht haben. Nein, es ist wichtig, dieses Thema «an sich heranzulassen», weil das Leben rettet. Das öffentliche Einstehen für das Recht jedes Menschen zu leben, etwa bei einem «Marsch für das Leben», hat Wirkung. Es mag einer wütenden Gegendemonstrantin am Ende doch zum Segen werden, dass sie das friedliche Einstehen für das Leben erlebt hat. Vielleicht wird sie von einem Flyer angesprochen, von einem Lied, von einem freundlichen Gesicht, von einem Wort, von der Friedfertigkeit im Gegensatz zur gewalttätigen und hasserfüllten Gesinnung, die sie bei ihren Mitstreitern erlebt.

Ein schönes Beispiel dafür, dass ein kleines Engagement, ein Einstehen für das Leben der Babys, die sich nicht wehren können, Leben rettet, ereignete sich vor 45 Jahren in Amerika. Das Folk-Duo «Seals and Crofts» war mit seinen Hits «Summer Breeze» und «Diamond Girls» gut im Geschäft. Als sie dann ein Gedicht von Lana Day Bogan, der Frau ihres Toningenieurs vertonten, veränderte sich alles.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 09/2019.