Nach über zwei Jahren Corona-Pandemie gibt es nach wie vor viel Zwietracht und Unverständnis. Wo liegt die Wahrheit? Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Konstantin Beck mit einer Bilanz.
Prof. Dr. Konstantin Beck
14. Dezember 2022

Als die Menschen von Babylon einen Turm bauten, dessen Spitze bis an den Himmel reichen sollte, womit sie sich einen Namen machen wollten, da fuhr der Herr hernieder und verwirrte ihre Sprache, sodass sie aufhören mussten, ihre Stadt zu bauen (Genesis 11,1–9).

Auch wir wollten mit einer international koordinierten Impfaktion zur Ausrottung eines mutationsfähigen Virus hoch hinaus. Und heute stellen wir eine riesige (Sprach-)Verwirrung fest. Zwietracht und Unverständnis herrscht allenthalben zwischen Massnahmen-Befürwortern und -Kritikern. Und mittendrin ertönt die skeptische Pilatus-Frage: «Was ist Wahrheit?» (Joh. 18,38).

Lässt sich Wahrheit finden?

Als Christen glauben wir an die Wahrheit. Das heisst aber noch nicht, dass wir über sie verfügen. Vieles, was grundsätzlich erforschbar wäre, bleibt schwer zugänglich. Und immer bleibt der Irrtum Teil des wissenschaftlichen Befunds. Gute Forscher müssen daher immer auch demütige, zweifelnde Forscher bleiben. Insofern ist auch das Folgende nur Kenntnis nach bestem Wissen und Gewissen, mehr nicht.

Seit zwei Jahren werden wir täglich mit verzerrten Statistiken bombardiert. Die Medien gebärden sich wie Propagandisten der Regierung und werden von einem grossen Chor unkritischer Mitläufer unterstützt. Dreissig Jahre praktische Tätigkeit im Gesundheitswesen erlaubten es mir, immer wieder verlässliche Fakten zu finden und daraus plausible Zusammenhänge abzuleiten. Denn auch wenn die Daten bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und manipuliert dargestellt wurden, das darunterliegende Datenmaterial blieb in der Regel zugänglich und erlaubte den unverstellten Blick auf die Dinge. Nicht selten konnten aufgrund der Originaldaten Verdrehungen nachgewiesen werden.

Im Internet tauchten plötzlich Faktenchecker auf. Liest man deren Blogs mit zeitlichem Abstand, werden ihre  Behauptungen und grotesken Fehleinschätzungen offensichtlich und zuweilen amüsant. Bereits 2020 war es systematisch möglich, Scharlatane von seriösen Warnern zu unterscheiden. Es genügte ein Blick in die jeweilige Biografie. Wer auf dem betreffenden Fachgebiet einen Nobelpreis vorzuweisen hatte (Prof. Levitt), wer der meistzitierte Gesundheitsstatiker der Welt war (Prof. Ioannidis) oder wer für seine langjährige Tätigkeit als Infektiologe mit Preisen geehrt worden war (Prof. Bhakdi), hätte es verdient, zumindest ernst genommen zu werden. Ernster als die jungen, nahezu unbekannten Vertreter ihres Faches.

Zudem können auch hier, zwei Jahre später, die Prognosen verschiedenster Stimmen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. Und es erstaunt nicht wirklich, dass die Erfahreneren in der Regel zutreffendere Prognosen formulierten. So versprach Marcel Salathé im Juli 2020 im Hinblick auf den Impfstoff in der Zeitung «Blick» eine Herdenimmunität, die es aus infektiologischen Gründen gar nicht geben konnte (so Prof. em. Pietro Vernazza, Infektiologe, im Frühling 2021) und die sich dann auch nie eingestellt hat.1

Wahrheit liess sich erahnen

Die gute Nachricht lautet: Die Wahrheit, soweit sie zugänglich war, liess sich gestützt auf viele Quellen zumindest erahnen. Vor allem liessen sich harte Fakten von nebulösen Spekulationen trennen. Neu war allerdings, dass wer für die Wahrheit einstand, geächtet, verfolgt und ökonomisch vernichtet werden konnte. In dieser Situation hilft der Glaube, das Wissen, dass man nicht dem unbeständigen Urteil seiner Mitmenschen verpflichtet ist, sondern einzig Gott.

Wer den Hang des Menschen zur Verfolgung Andersgläubiger und -denkender kennt, war zu Beginn der Pandemie gewappnet, Diffamierung in Kauf zu nehmen. Vor allem war er sich bewusst, dass die als Wissenschaftler und Kritiker erlebte Ausgrenzung, so schockierend sie war, im Vergleich zu früheren Ereignissen dieser Art immer noch sehr harmlos war. Und nicht selten drehten sich die Attacken auch in ihr Gegenteil. Als beispielsweise der Privatdozent Dr. Althaus via Twitter den Rechtsdienst der Uni Luzern gegen ein Corona-kritisches Buch von mir und meinem Kollegen Dr. Werner Widmer in Stellung bringen wollte, erwies sich das als hilfreiche Werbekampagne. Das Buch fristete im Herbst 2020, von allen angefragten Verlagen abgelehnt, als frei zugängliches PDF ein kümmerliches Dasein.2 Erst der übertriebene Aufschrei verhalf dem Buch zu grosser Aufmerksamkeit bei Publikum und Medien.

1    Nicola von Lutterotti, Die Impf-Euphorie trübte den kritischen Blick, NZZ, 30.9.2022.
2    K. Beck, W. Widmer, 2021, Corona in der Schweiz, (erste Auflage Nov. 2020), https://www.corona-in-der-schweiz.ch/

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