
«Gott – Das Ringen mit einem, der über allem steht» – So lautet der Titel des neuen Buches des klinischen Psychologen und Intellektuellen aus Kanada, Jordan B. Peterson. Es ist Ende letzten Jahres wie zuvor «Das konservative Manifest» beim fontis-Verlag erschienen. Wer ist Peterson und als was für eine Person schreibt er ein Buch, das zwar Gott im Titel führt, aber nur als «einen» und nicht «als den Einen»? Schrieb er es als Glaubender? Als Nicht-Glaubender? Oder, um eine Anleihe beim Titel zu nehmen, als ein Mit-Gott-Ringender, der hofft, den Einen zu besiegen, um – endlich vielleicht – von ihm überwunden zu werden, wie einst Jakob am Jabbok? Ist das Buch ein Glaubensbuch, oder ein weiteres jener Werke, die Gott auf eine menschlich erfass- und verwaltbare Ebene herunterzerren und auf Stuhlkreis-Niveau zum Prinzip und zur Technik degradieren? Die Bibel und ihre Botschaft zum Selbstbedienungsbuffet und zur Methode der Lebensbewältigung im Selbsthilfe-Setting?
Ein Hochleistungs-Ringer
Um diese Fragen beantworten zu können, hilft es, Peterson und sein Schaffen der letzten Jahrzehnte kennenzulernen. Seine Bücher, die Dutzenden Stunden an Vorträgen, Vorlesungen und Interviews. Dann wird rasch klar: Dieser Mann ist ein Suchender im Sinn eines geistigen Hochleistungs-Ringers. Er ringt sich jederzeit buchstäblich das Äusserste, Beste und Höchste ab und fordert dies auch von seiner Zuhörer- und Leserschaft. Und er tut es an jenem Ort, vor dem wir uns oft zu drücken versuchen: an der Grenze. Der Mensch, so seine Überzeugung, ist nur dort die echteste und beste Version seiner selbst, wo er mit einem Fuss jenseits der Demarkationslinie von Naheliegendem und Routine im Unbekannten, im Äussersten, im Wagnis steht. Wo er Risiken eingeht, voll in die Verantwortung tritt und gleichzeitig glaubt. Bereit zu leiden, um zu bestehen – auch im Scheitern zu bestehen. Nur dann und nur dort, in diesen Zerreissproben, in einem unerhört unzeitgemässen «Stirb-und-werde», wird er vor die eigentlichen Fragen gestellt und konsequenterweise nur dort zu vollem Leben und voller Freiheit hindurchfinden. Im Konflikt, an Übergängen, in Komplikationen. Da, wo unsere Natur von sich aus nicht hinwill, wo wir sie nur hinzwingen können, manchmal hinprügeln müssen. Erst dort werden Überzeugungen und Absichtserklärungen, unsere moralische und ethische Haltung, unser Glauben und Wollen auf den Prüfstand gestellt, erweisen sich als Wunschdenken, Selbstbetörungen oder als wirklichkeitsrelevante Kräfte.
Jeder Vermutung, dass solches Ringen kein menschliches, alltägliches, sondern ein für die Besten und Stärksten reserviertes sei, erteilt Peterson eine deutliche Absage – und wer sich selbst und seine Natur kennt, wird ihm recht geben: Das Überwinden, die Konflikte – sie liegen alle in jedem von uns und in jedem einzelnen Tag. Das Heroische liegt nicht in ihrer Grösse, sondern in der treuen Kraft und in der täglichen Anstrengung, die es kostet, sie und damit uns selber zu überwinden. Es sind unsere Bequemlichkeiten, der Ausredengeist, das Verschieben, Vermeiden und halbherzige Dabeisein bei all dem, was wir zu tun berufen sind. Wer es vermeidet, in solch vermeintlich Kleinem mit sich zu ringen, sich drückt davor, den sogenannten inneren Schweinehund jederzeit und überall an die Leine zu nehmen, so Peterson, lebt am Leben und seinen Möglichkeiten vorbei und wird eines Tages auch daran vorbeisterben. Bestenfalls als tierhaft Leerer, eher aber als ein zynischer, bitterer, neidischer und vermeintlich von Leben und Mitmenschen verratener Mensch.
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