Bei Ausgrabungen in Syrien haben Archäologen in einem Bronzezeit-Grab vier Tonzylinder mit eingeritzten Schriftzeichen entdeckt. Forscher datieren diese Täfelchen auf ein Alter von rund 4400 Jahren. Aufgrund ihrer Form und des Fund-Kontextes vermuten sie, dass es sich um eine Frühform alphabetischer Zeichen handeln könnte. Sollte sich dies bestätigen, wären diese Tonzylinder das bisher älteste bekannte Zeugnis alphabetischer Schrift.
Bettina Hahne-Waldscheck
24. Juni 2025

Diese bahnbrechende Entdeckung könnte zusammen mit anderen in der Region entdeckten Artefakten die Geschichte des Alphabets neu schreiben und neues Licht auf die Entwicklung alphabetischer Systeme und ihrer frühen Verbreitung werfen. Für Bibelforscher ist das von grosser Bedeutung, da die liberale Forschung meint, Mose könne nicht die Torah geschrieben haben, weil es zu seiner Zeit noch kein Alphabet gab. Kaum jemand ist sich heute noch bewusst: Das Alphabet ist ein Geniestreich! Mit nur 26 Buchstaben (22 im Hebräischen) lassen sich alle Wörter, alle Gedanken der Welt ausdrücken. Hieroglyphen dagegen zu erlernen, konnte sich zeitlich nur eine kleine Elite leisten. Hätte Mose nur die zu seiner Zeit existierenden ägyptischen Hieroglyphen gehabt, hätte er kilometerlange Papierrollen gebraucht, um die Torah zu schreiben.

Dass Mose schon ein Alphabet kannte, wird auch durch protosinaitische Schriftfunde in Serabit el-Khadim (Sinai) und im Wadi el-Hol (nahe Luxor) untermauert. Christopher Rollston, Professor für Nordwestsemitische Sprachen an der George Washington University sowie weitere Forscher ordnen diese Schriften eindeutig als semitische Schrift. Dann wären es Semiten, die das Alphabet erfanden und nicht die Phönizier um 1200, wie noch in den Schulbüchern steht. Die Archäologen David Rohl («Exodus – Myth or History») und Douglas Petrovich, Professor für Biblische Geschichte und Exegese am Bible Seminary Texas, meinen sogar, dass es sich bei den Wadi-el-Hol- und Sinai-Schriftzeichen um ein frühes Hebräisch handelt.

Die neu gefundenen Tonzylinder aus der syrischen Bronzezeitstadt Tell Umm-el-Marra wären dann laut vorläufiger Datierungen1 nochmals 500 Jahre älter und würden weitere Belege liefern, dass es zur Zeit des Mose und des Exodus, also um 1450 v. Chr. (1600 v. Chr. laut Roger Liebi), schon ein Alphabet gab. Professor Glenn Schwartz von der University of Chicago, dessen Team die Tonzylinder entdeckte und der mit den protosinaitischen Inschriften vertraut ist, sagte: «Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass das Alphabet in oder um Ägypten irgendwann nach 1900 v. Chr. erfunden wurde. Aber unsere Artefakte sind älter und aus einer anderen Gegend und deuten darauf hin, dass das Alphabet einen ganz anderen Ursprung und eine andere Geschichte hat, als wir dachten.»

1.    Publiziert in: «Syria, Mesopotamia, and the Origins of the Alphabet». In: The University of Chicago Press Journals.

Meldung aus factum 03/2025