Ja, es sind böse, niederdrückende Zeiten. Aber es ist eine Versuchung, sich davon bedrücken zu lassen. Wir sollten ihr widerstehen. Es ist die Dankbarkeit, die uns am Ende den Weg weisen wird.
Thomas Lachenmaier
26. Juli 2021

Viele Menschen, auch viele Christen, erleben das Geschehen dieser Zeit als niederschmetternd, als deprimierend, als hoffnungslos. «Aus weltlicher Sicht gibt es hier keine Hoffnung, dass es besser wird», hörte ich einen Christen sagen. Dass auch das Bittere Teil des Lebens ist, das ist nicht neu. Das war schon so, bevor die Grundrechte gecancelt wurden, bevor Lüge, Diffamierung und Hass das politisch-gesellschaftliche Leben so sehr dominierten. Aber zum Leben gehört doch auch Schönheit, Gelingen, eine Umarmung, die Unbeschwertheit in der Zufälligkeit der Begegnung mit unbekannten Menschen im Alltag. Diese Leichtigkeit ist weg.

Wir wissen nicht recht, wie wir mit dem umgehen sollen, was uns als neue Normalität aufgezwungen wird. Wie wir mit den dystopischen Aussichten umgehen sollen, mit einem Leben, das mehr und mehr von der Willkür der Herrschenden dominiert wird, ohne Aussicht auf Besserung. Wir haben keine Kontrolle über diese Entwicklung. Und dennoch: Wir können in unserem persönlichen Leben dieser Entwicklung etwas entgegensetzen. Das Einzige, worüber wir Kontrolle haben, ist unsere Einstellung zu dieser Misere, die jeden Menschen auch persönlich betrifft. Es ist kein abstraktes politisch-gesellschaftliches Problem. Jeder von uns erlebt die Folgen sehr konkret.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass unser Denken, unsere Gefühle, unser ganzes Sein von der giftigen und wirren Flut an Negativität bestimmt wird. Sorgen, Frustration, Angst, auch berechtigter Zorn dürfen am Ende des Tages nicht die Herrschaft über uns erlangt haben. Gott will doch, dass wir fröhliche Christenmenschen sind. Und gerade, wenn es ganz dick kommt, wenn «die Menschen vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde», sollen wir unsere Häupter erheben (vgl. Luk. 21,26.28). Wir können die  Kontrolle über unsere Einstellung zu dem, was uns niederdrücken soll, zurückgewinnen. Es liegt an jedem von uns, diese Herausforderung anzunehmen.

Ja, es ist eine Herausforderung. Sie ist nicht leicht. Sie ist schwer. Aber: Wir haben als Gläubige das heilige Privileg, eingebunden zu sein in das Geflecht der Segnungen unseres Vaters im Himmel. Das unverrückbare «Dennoch!» der Bibel steht fest wie ein Fels. Am Ende geschieht Gottes Willen. Auch sind wir nicht allein in diesem Geschehen. Alle Gläubigen stehen vor dieser Herausforderung. Der Philosoph David Engels schreibt in seinem lesenswerten Büchlein «Was tun?» von der Notwendigkeit, dass sich die Andersdenkenden jetzt verbinden. Ja, umso mehr sich Politik und Gesellschaft gegen Gott stellen, umso deutlicher wird, dass Christen die «Andersdenkenden» sind. Das ist auch in Ordnung so. Wir sollten nicht mehr «dazugehören» wollen.

Die Trennung von Spreu und Weizen beginnt, auch in der Gemeinde, dort wohl zuerst. David Engels schreibt: In dieser Zeit der Entscheidung wird es «wenig darauf ankommen, wer reich oder arm, einflussreich oder machtlos» ist. Worauf es ankommen wird, «genau wie in Zeiten des Krieges, wird das Mass an Vertrauen sein, das wir in unseren Nächsten setzen können».

Es ist gut, wenn wir jetzt unsere Kräfte sammeln, Körper, Seele und Geist, um uns für den zu öffnen, der von Anbeginn alles unter Kontrolle hat. Es ist an uns, diesen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Anstatt unsere Seele niederdrücken zu lassen, anstatt zu fragen, «warum Gott das zulässt», können wir der Frage nachgehen: Wozu soll mir das dienen? Wie kann ich jetzt so leben, dass dieses Geschehen mir und anderen zum Segen wird? Wie sollte ich meine Zeit verbringen? Was sollte ich ändern? Wie soll aus all dem Gutes entstehen? Alle Dinge müssen dem, der dem Gott der Bibel vertraut, ihn sucht, nach seinem Willen in der Schrift forscht, zum Guten dienen (vgl. Röm. 8,28). Alle Dinge, auch Krankheit, auch eine gottfeindliche Politik, Repression, Gefängnis, alles.

Von einem Leben, das von der Erwartung des negativen Kommenden einer ungewissen Zukunft bestimmt ist, können wir zu der Einstellung finden, die sich in der Gegenwart jeden Morgen mit Dank Gottes Segnungen versichert. Viele jüdische Gläubige sprechen unmittelbar nach dem Aufwachen das Morgengebet «Mode Ani». In diesem innigen Gebetslied wird für das eigene Leben, an diesem Morgen neu, gedankt. Und für das Licht, «für mein ganzes Sein», für das Brot, für Gottes Treue. Der Dank für das eigene Leben, am Morgen als Erstes gesprochen, anerkennt den, der uns geschaffen hat, der uns diesen Tag schenkt. Er hat uns Leib und Seele für diesen Tag anvertraut. Es ist seine Freude, wenn wir dies erkennen und zu unserer Verantwortung finden. Im Danken öffnen wir den Blick für den Allmächtigen, den «Vater der Barmherzigkeit» (2. Kor. 1,3), für Jesus, der die Wahrheit ist und der Weg, und das Leben (Joh. 14,6). Im morgendlichen Danken erkennen wir mit der eigentlichen Wirklichkeit auch die Niederlage derer, die jetzt triumphieren mögen. Sie haben längst verloren. Gott hat es ihnen nur noch nicht gesagt.

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