Der türkische Islamgelehrte Hayrettin Karaman hat sich für die Einführung der islamischen Kopfsteuer für Christen und Juden ausgesprochen. Die Türkei werde ein vollständig muslimisches Land sein. Das bedeute, dass das islamische Recht, die Scharia, Gültigkeit haben müsse.
Thomas Lachenmaier
7. Dezember 2017

Nach islamischem Recht müssen Christen und Juden als Zeichen ihrer Unterwerfung unter die islamische Obrigkeit eine zusätzliche Steuer bezahlen, die so genannte Jizya.

Die Jizya geht auf den Koran, Sure 9, Vers 29, zurück, wo es heisst: «Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – kämpft gegen sie, bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten!» Im Osmanischen Reich mussten Christen und Juden, sofern sie nicht geflohen oder ermordet waren, diese Kopfsteuer bezahlen, wie auch in al-Andalus, dem islamisch-arabisch besetzten Spanien. Sie gilt nach islamischem Verständnis als Gegenleistung für die erfahrene Wohltat der Schonung des Lebens trotz der bestehenden Machtlosigkeit. Diese Kopfsteuer wurde erst mit dem Ende des Osmanischen Reiches durch Atatürk abgeschafft.

Karaman gilt als einer der einflussreichsten Islam-Theologen der Türkei und als einer der Chefideologen der islamistischen Regierung. Im August hatte er sich für ein Rauchverbot für Frauen ausgesprochen. Es sei für Frauen schädlicher als für Männer, da es etwas über ihre Moral aussage. Eine Frau mit Kopftuch, die rauche, signalisiere damit, dass sie «zur Kontaktaufnahme» bereit sei: «Ich habe viel mit dir zu teilen.» Da sich Karaman gegen die Steinigung ausspricht, weil es im Koran nicht erwähnt werde, gilt er in der gegenwärtigen Auseinandersetzung in der Türkei als eher progressiv.

(Artikel aus factum 9/2017)