Michael Shellenberger ist einer der weltweit prominentesten und einflussreichsten Klimaaktivisten. Vom US-Magazin «Time» zum «Umwelthelden» gekürt, sprach er vor dem US-Kongress über Umweltfragen und ist Gutachter der Weltklimabehörde IPCC. Jetzt entschuldigte er sich öffentlich «für die Klimaangst, die wir in den vergangenen 30 Jahren erzeugt haben».
factum-Redaktion
11. September 2020

«Der Klimawandel findet statt», schreibt Shellenberger in seiner Entschuldigung, «nur, er ist nicht das Ende der Welt. Er ist nicht einmal unser grösstes Umweltproblem.»

Er habe fälschlicherweise im Klimawandel eine «existenzielle Bedrohung» der menschlichen Zivilisation gesehen und ihn so bezeichnet. Er sehe sich in der Pflicht, sich dafür zu entschuldigen, «wie sehr wir Umweltschützer die Öffentlichkeit in die Irre geführt haben». Shellenbergers Text erschien zunächst im Magazin «Forbes», die den Text jedoch mit einem obskuren Hinweis auf «redaktionelle Richtlinien» wieder zurückzog. Fast keines der grossen deutschen Medien berichtete über Shellenbergers Text.

Lange habe er sich nicht getraut, sich öffentlich in dieser Weise zu bekennen, zum Teil, «weil es mir peinlich war. Ich schwieg über die Klima-Desinformationskampagne, weil ich Angst hatte, gute Freunde und Geld zu verlieren». Heute schäme er sich dafür, dass er sogar geschwiegen habe, als «Leute im Weissen Haus und viele in den Medien versuchten, den Ruf und die Karriere eines herausragenden Wissenschaftlers, Ehrenmannes und Freundes von mir, Roger Pielke jr., eines lebenslang fortschrittlichen Demokraten und Umweltschützers, zu zerstören».

Shellenberger schreibt, dass er die Folgen der Klima-Kampagnen bedauere. So haben einer britischen Studie zufolge ein Fünftel der Kinder Albträume über den Klimawandel. Die Hälfte der im vergangenen Jahr weltweit befragten Menschen gab an, der Klimawandel werde die Menschheit «aussterben» lassen. «Ob sie nun Kinder haben oder nicht, Sie müssen erkennen, wie falsch das ist.» Shellenberger begründet seine Sicht ausführlich in einem Buch. Facebook versieht seinen Text mit der Warnung, er sei falsch. Inzwischen ist das die gängige Methode vermeintlich objektiver «Faktenchecker», Menschen zu diskreditieren. Shellenberger sieht darin zu Recht eine Zensur. Der Feuilletonist Hannes Stein bezeichnete Shellenbergers Buch («Apocalypse Never: Why Environmental Alarmism Hurts Us All», Verlag HarperCollinsPublisher) als «eine fundierte, von Statistiken unterfütterte Abrechnung mit der Neigung der Ökobewegung, den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang an die Wand zu malen». Shellenberger sagt, dass er mit seinem Buch eine solide Begründung für seinen Einstellungswandel leisten wolle. Die Beweise seien «überwältigend, dass unsere Hochenergie-Zivilisation besser für Mensch und Umwelt ist als die Niedrigenergie-Zivilisation, zu der uns die Klimaschützer zurückbringen würden».

Der Leiter der Naturschutzorganisation «The Nature Conservancy», Steve McCormick, schreibt, Shellenbergers Buch serviere «gelegentlich scharfe, aber immer gut ausgearbeitete, evidenzbasierte Standpunkte, die uns helfen, den ‹mentalen Muskel› zu entwickeln, den wir brauchen, um uns nicht nur eine hoffnungsvolle, sondern auch eine realisierbare Zukunft vorzustellen und zu entwerfen». Shellenberger schreibt am Ende seines Textes: «Ich hoffe, dass Sie meine Entschuldigung annehmen werden.»

Artikel aus factum 05/2020.