Ereignis von welthistorischem Rang und Treue-Erweis Gottes: die Heimkehr des jüdischen Volkes nach Israel – angetrieben durch Corona und Antisemitismus. Zeugnis einer amerikanischen Familie.
Thomas Lachenmaier
11. Oktober 2020

Die Bibel beschreibt es als eines der gewaltigsten und bedeutungsvollsten Ereignisse der Geschichte. Zweimal, in Jeremia 16,14–15 und Jeremia 23,7–8, ist in der Heiligen Schrift zu lesen, dass die vollständige Rückführung des jüdischen Volkes «von den Enden der Erde» (Jer. 31,8), also aus der ganzen Welt, nach Israel die zentrale und identitätsstiftende Erinnerung an die Rückführung aus der ägyptischen Gefangenschaft überlagern wird. So verheisst es Jeremia im 23. Kapitel: «Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: ‹So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!›, sondern: ‹So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstossen hatte.› Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.» Die Rückkehr aus Ägypten war ein Treue-Erweis Gottes, aber ein regionales Ereignis. Heute sind wir Zeugen eines vergleichbaren, aber ungleich grösseren, globalen Ereignisses.

Das ist bemerkenswert auch angesichts der Tatsache, dass im Judentum noch immer der Auszug aus Ägypten – also der verglichen mit dem heutigen Geschehen «kleine Exodus» – als das zentrale identitätsstiftende Ereignis gefeiert wird. Gläubige wie säkulare Juden zelebrieren jedes Jahr mit dem Pessachfest dieses Ereignis und geben das Wissen an die nachwachsende Generation weiter. Die jahrtausendealte Feiertagskultur wurde gewissermas-sen von der Zeitgeschichte überholt – denn die da heute feiern, sind ja bereits selbst Zeitzeugen und Geschichtshandelnde des ungleich grösseren, ebenfalls verheissenen Ereignisses.  

Sie sollen «in ihrem Lande wohnen» – das ist vor erst 72 Jahren, 1948, mit der Wiedergeburt Israels allen Juden wieder möglich geworden. Wir leben in einer Zeit dramatischer Erfüllung von Gottes Wort. Jeder kann es sehen und keiner kann es bestreiten, der die Bibel aufschlägt und der sieht, was in der Welt geschieht. Ein Wunder, vor unseren Augen. Dass die Worte der Bibel und die Worte Jesu sich vor unseren Augen erfüllen: Das ist der Beweis dafür, dass Jesus der ist, der er ist: der auferstandene Sohn Gottes, der wiederkommen wird. Seit Ende des 19. Jahrhunderts geschieht in immer neuen Wellen und oft unter dramatischen Umständen diese «Immigration nach Hause». Die globale Verunsicherung durch Corona und der Aufstieg des Antisemitismus beschleunigen die Entwicklung.

Eine Situation, in der man sein Heimatland plötzlich nicht mehr verlassen kann, schien zuvor unvorstellbar. Marc Rosenberg von «Nefesh B’Nefesh», einer Hilfsorganisation für Einwanderer, berichtet, dass viele in der Zeit des Lockdowns die seltene Gelegenheit hatten, «intensiv darüber nachzudenken, worum es in ihrem Leben geht, was für sie wichtig ist». Familie rückt in den Vordergrund – von der vielleicht ein Teil schon in Israel ist. Isaac Herzog, der Vorsitzende der «Jewish Agency», die Heimkehrende unterstützt, forderte Organisationen, die sich ebenfalls diesem Anliegen widmen, und die Regierung dazu auf, sich auf eine grosse Einwanderungswelle einzustellen. Er geht davon aus, dass 100 000 Menschen Israel in Bälde zu ihrer Heimat machen werden, sobald die Umstände dies erlauben. In Frankreich bereiten sich derzeit 1000 Familien auf die Auswanderung vor. Sie stellen sich der Realität.

In Äthiopien warten 7500 Mitglieder der «Falash-Mura-Gemeinschaft» auf die Auswanderung. Die «Internationale Christliche Botschaft Jerusalem» (ICEJ) hat die Flugkosten der Einwanderung von 760 Olim (Einwanderern) übernommen. Dass es auch christliche Organisationen wie «Ebenezer», die «ICEJ» oder die «International Fellowship for Christians and Jews» sind, die Juden bei der Rückkehr helfen, wird in Israel wahrgenommen.

Die absoluten Zahlen der Einwanderung aus Nordamerika sind noch gering. Aber der Zuwachs um 100 Prozent zeige die Tendenz, so «Nefesh B’Nefesh». Die meisten der 14 Sonderflüge in diesem Sommer gingen von New York nach Tel Aviv; im Juli und August gingen auch Flüge von der Westküste nach Israel. Auch die 23-jährige New Yorkerin Sophie Hudes hat sich zur Aliya entschlossen. «Besonders bei dem, was die Welt jetzt durchmacht, fühlt sich Israel wie ein Anker an», sagte sie der Onlinezeitung «JNS», «der mich inmitten des Chaos auf dem Boden der Tatsachen hält.»

Kara Arroyo, eine Mutter von vier Kindern, hat der christlich-jüdischen Organisation «Jewish Voice Ministries» gegenüber beschrieben, wie sie die Aliya mit ihrer Familie erlebt hat. Sie und ihr Mann lebten mit ihren Kindern in den Vereinigten Staaten ein gutes Leben. Beide haben in Jeschua, Jesus, ihren Messias erkannt. In der Gemeinde, die von Karas Mann gegründet wurde, sind sie aktiv. Es gab eigentlich keinen Grund, dieses gute Leben aufzugeben, gegen etwas Ungewisses. Aber beide sahen im «Aliya machen» «den Traum, der von der Schönheit der Heiligen Schrift gemalt ist und der die atemberaubende Liebesgeschichte von Gottes Treue zu seinem Volk erzählt», wie Kara formuliert. An einem bestimmten Tag wussten sie, dass die Bibelworte ihnen gelten, dass sie jetzt persönlich gefragt sind. «Es war eine Entscheidung, unserem Gott zu gehorchen, ihm zu folgen und ihm zu vertrauen, wie wir es noch nie zuvor getan hatten», erinnert sich Kara.

Es war der Familie nicht bewusst, was es heisst, sich plötzlich «als Einwanderer» wiederzufinden in einem fremden Land. All die Sicherheiten, das gute Zurechtkommen in der alten Heimat, das vertraute Umfeld von Verwandten, Freunden und Arbeit war plötzlich weg. Sie sei unabhängig und stolz darauf gewesen, «ich wusste, wie man sich mit allem zurechtfindet». Und plötzlich, ohne Hebräisch zu können, war alles anders.

Wie die Kinder in der Schule anmelden, wie dem Drittklässler bei den Hausaufgaben helfen, wie für die Kleinen da sein, «die jetzt mehr israelisch als amerikanisch sind»? Sie habe «nie eine solche Lektion in Demut erlebt», erinnert sich Kara, «ich lerne ständig, meinen Stolz abzulegen und zuzugeben, dass ich Hilfe brauche, dass ich diesen Weg nicht alleine gehen kann.» Auch die Kinder nicht neben ihren Grosseltern aufwachsen zu sehen, die in Amerika geblieben sind, dem Vater zum 70-sten keinen Kuchen backen zu können, ist emotional herausfordernd. Aliya zu machen habe sie «aus der Komfortzone herausgerüttelt und mich gedrängt, in Gott Sicherheit zu finden», berichtet Kara. Jetzt heisst es, sich ganz «auf Gottes Stärke zu stützen», sich selbst «durch Gottes Augen zu sehen und Freiheit in dem zu finden, was Er ist». Das bedeutete auch: «alles aufzugeben und mit zwei Händen an der Hoffnung festzuhalten». Aliya zu machen erlebt Kara Arroyo als «eine Berufung, die grösser ist als ich, und ein Schicksal, das grösser ist als meine Kämpfe». So ist es, wenn ein Mensch seine Identität als Kind Gottes in der Welt findet: Er tut, was er zu tun hat, was richtig ist. Richtig nach Gottes Willen und damit auch richtig für ihn selbst und seine Familie.

Aber: Gott vereinigt sein Volk nicht nur um dieses Volkes willen wieder als eine Nation. Die Bibel bezeugt mehrfach, dass dies auch als ein Zeichen für die Menschen aller Nationen geschieht, ihnen zur Gotteserkenntnis dient, als Weckruf. Ja, wir dürfen an dem, was 1948 geschah und was heute geschieht, erkennen, dass Gottes Wort wahr ist. Jetzt ist jeder berufen, sich zu öffnen für Gottes Wort.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 05/2020.