Um die Bewegung des Neuen Atheismus ist es in den letzten Jahren ruhig geworden. Richard Dawkins bezeichnete sich jüngst sogar als «kulturellen Christen». Was hat das zu bedeuten?
Stefan Jungen
15. August 2025

Es ist still geworden um die Bewegung des «New Atheism», des Neuen Atheismus. Noch vor einem Jahrzehnt kannte jeder naturwissenschaftlich Interessierte die sogenannten «vier nicht-apokalyptischen Reiter des Atheismus»: den Evolutionsbiologen Richard Dawkins, den Philosophen Daniel Dennett, den Publizisten Christopher Hitchens und den Neurowissenschaftler und Philosophen Sam Harris.

Die Bewegung des New Atheism war an Gymnasien und naturwissenschaftlichen Universitäten besonders populär. In Debatten, Bestsellern und im Internet vertraten ihre Mitglieder ein humanistisches und naturalistisches Weltbild. Sie kritisierten im speziellen das Christentum und den Islam und glaubten, dass «religiöser Glaube und Glaube an Götter gefährlich und zerstörerisch seien, weil sie im Wesentlichen irrational seien und Irrationalität und anti-wissenschaftliches Denken förderten» (The Sceptic's Dictionary). Gerne erwähnten sie als Beispiel dafür Kriege und Verbrechen, die in der Menschheitsgeschichte im Namen von Religionen verübt worden waren. Könnte man Aberglauben und Religion überwinden – so ihre Überzeugung – würden Menschen rationaler und weniger dogmatisch. Die Welt würde ein besserer und friedlicherer Ort werden. Grösste Bekanntheit erlangten sie wohl als vehemente Verfechter von Urknall und Evolutionstheorie und durch ihre Ablehnung vom Schöpfungsglauben und «Intelligent Design», über deren Vertreter man sich gerne lustig machte.

Nun ist es in den letzten Jahren um diese Bewegung eigenartig still geworden. Christopher Hitchens starb 2011 und Daniel Dennett 2024, ohne dass nennenswerte Nachfolger die Lücke gefüllt hätten. Sam Harris praktiziert und lehrt seit Jahren buddhistisch angehauchte Meditation. Darüber hinaus hat er, der «rationale» Atheist, in Zeiten der Coronakrise und der Trump-Jahre viele seiner Anhänger durch Aussagen entfremdet, die von diesen als zutiefst irrational empfunden wurden.

Der vierte und bekannteste der «Reiter», Richard Dawkins, debattiert heute nicht mehr gegen Vertreter des «Intelligent Design», sondern muss sich dafür einsetzen, dass das Geschlecht biologische Tatsache ist und nicht beliebig gewählt werden kann. Unsere Gesellschaft scheint also durch die fortschreitende Säkularisierung bestimmt nicht rationaler geworden zu sein. Konfrontiert mit der Woke-Kultur und der Islamisierung Grossbritanniens hat er sich inzwischen als «Cultural Christian» bezeichnet, als Anhänger einer christlich geprägten Kultur. Das heisst nicht, dass Richard Dawkins dem Atheismus abgeschworen hat, aber dass er die Früchte des angeblich «irrationalen» Christentums den Alternativen vorzuziehen scheint.

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