Alija ist der Weg zum Haus Gottes
Thomas Lachenmaier
8. Mai 2024

Wenn Jesus nach Jerusalem ging, dann heisst es in der Bibel immer, er «zog hinauf nach Jerusalem» (zum Beispiel Matth. 20,17; Joh. 2,13; Joh. 5,1). Der Weg nach Gomorra oder nach Babylon führt nach unten. Aber wer nach Jerusalem geht, zieht hinauf, er macht «Alija». Die Bibel beschreibt Jesu Weg hinauf nach Jerusalem mit diesem hebräischen Wort. Alija ist der Weg zum Haus Gottes.

Das Wort Alija bezeichnet auch die verheissene Heimkehr der Juden aus der Diaspora in das Land der Väter, nach Israel, nach Zion. In unserer Zeit macht das jüdische Volk aus aller Welt Alija. Sie kehren heim «wie die Tauben zu ihren Schlägen» (Jes. 60,8). Sie werden gefischt von Fischern und gejagt von Jägern (Jer. 16,16) und auf den Weg hinauf nach Zion geführt. Und noch darin zeigt sich die Liebe Gottes zu den Menschen, dass er auch Fischer und Jäger sendet, um das Volk Israel, um auch uns nach Hause zu bringen. Alija, das ist auch eine Umkehr von einem Weg, der weg vom Haus Gottes geführt hatte. Alija fängt immer mit einer Umkehr an.

Mit dem Begriff wird noch ein Drittes bezeichnet: Wenn in einem jüdischen Gottesdienst, zur Zeit Jesu oder heute, jemand nach vorne gerufen wird, um den für diesen Tag festgelegten Absatz aus der Schrift vorzulesen, dann macht auch er Alija. Er steigt «hinauf» zu Gottes Wort. Auch Jesus, berichtet die Bibel, wurde in der Synagoge nach vorne gerufen, um aus der Thora vorzulesen. Die Schriftstelle für diesen Tag war Jesaja 61, Vers 1 und 2: «Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.»

Und dann sagte Jesus etwas, was eine ungeheuerliche Provokation ist, damals wie in unserer Zeit: «Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt» (Luk. 4,21). An diesem Wort zeigt sich, dass das Wort der Schrift, dass das Wort Jesu «schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert» (vgl. Hebr. 4,12). Es trennt Wahres von Unwahrem, es offenbart das Verkehrte, es benennt und ist das Wahre. Vom Wort Gottes getroffen zu werden tut weh. Wer hört schon gerne, dass etwas Grundlegendes mit ihm nicht stimmt, dass er von dem Weg, den er für richtig hält, umkehren soll. Gottes Wort schneidet ins lebendige Fleisch, es «trennt Mark von Bein», ist «durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist». Und es ist «ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens». Von Gottes Wort ergriffen zu werden, das ist eine Operation am offenen Herzen.

Aber dieses Schwert hat zwei Seiten, es schneidet nicht nur, es heilt auch. Es heiligt den Menschen durch diese Operation. Deshalb ist es der Auftrag für jeden Menschen auf diesem Planeten, sich dieser Operation zu unterziehen. Dazu muss man sich nach vorne, nach oben rufen lassen und von seinem alten Weg umkehren. Dazu muss man Alija machen. Jesus hat in der Synagoge seines Heimatortes Nazareth klargemacht, dass er es ist, zu dem die Menschen Alija machen müssen, wenn sie es denn gut mit sich meinen.

Denn es ist Jesus, «aus dessen Mund ein zweischneidiges Schwert geht» (Off. 1,16). So lasst uns denn alle Alija machen, denn diese Operation ist es, die uns wirklich gesund macht: Sie führt uns an den Ort, an dem alle Tränen abgewischt werden und wo kein Tod mehr ist.

Artikel aus factum 03/2024