Windenergieanlagen (WEA) sind für Fledermäuse nicht nur ein Todesrisiko, sie werden im Umkreis der Anlagen auch grossräumig verdrängt. Die Aktivität von Fledermausarten, die in Wäldern in der Nähe von WEA jagen, sinkt um fast 80 Prozent.
factum-Redaktion
10. April 2024

Dies ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung unter der Leitung von Forschern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin und der Philipps-Universität Marburg, die in der Fachzeitschrift «Global Ecology and Conservation» erschienen ist.

Bislang wurden auf deutschem Festland im Zuge der Energiewende knapp 30 000 WEA installiert. Auf der Suche nach weiteren geeigneten, aber immer rarer werdenden Standorten rücken zunehmend auch Wälder in den Fokus. Jüngstes Beispiel ist der Reinhardswald in Nordhessen, der seinerzeit den Gebrüdern Grimm als Inspirationsquelle für ihre Märchen diente. Zur Errichtung von fast 250 Meter hohen Windrädern werden nach monatelangem Baustopp breite Schneisen in den Wald geschlagen.

Viele heimische Fledermausarten wie das Grosse Mausohr (Myotis myotis) leben und jagen in Wäldern und sind daher vom Windenergieausbau in oder in der Nähe von Wäldern direkt betroffen. Dabei geht es nicht nur um das unmittelbare Risiko der Kollision mit den Rotoren, sondern auch um indirekte negative Auswirkungen auf diese Arten. Die Forscher fanden heraus, dass die auf Wälder spezialisierten Fledermäuse Windenergieanlagen über eine Entfernung von mehreren hundert Metern meiden, sofern diese in Betrieb sind und die Windgeschwindigkeit relativ hoch ist. Konkret nahm die Aktivität von Fledermäusen im Umkreis von 80 bis 450 Metern um eine Anlage mit zunehmender Windgeschwindigkeit um durchschnittlich 77 Prozent ab, wenn die Anlagen in Betrieb waren. «Die Rotorbewegungen der Windenergieanlagen erzeugen nicht nur sogenannte Wirbelschleppen, sondern auch Lärm. Beide Faktoren können sich über mehrere hundert Meter auf Fledermäuse auswirken», sagt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. «Waldfledermäuse, die unter dem Kronendach jagen, kommen vermutlich nicht mit den Wirbelschleppen in Kontakt. Vielmehr könnten sie von den Geräuschemissionen der Anlagen betroffen sein», so Voigt. «Vermeiden Waldfledermäuse Geräuschemissionen an den Windenergieanlagen, verlieren sie weiträumig wertvollen Lebensraum.»

Ein weiterer negativer Nebeneffekt von WEA zeigt sich zurzeit in Spanien. Da es hier neben viel Sonne auch reichlich Wind gibt, unterstützte die Regierung schon früh den Ausbau von WEA. Laut dem Windenergieverband AEE ist jede dritte der heute rund 21 000 Anlagen vor 2005 in Betrieb gegangen. Nach 20 bis 25 Jahren bauen die Betreiber diese meist ab, weil sie veraltet sind. Genau das geschieht in den kommenden fünf Jahren mit rund 7500 Turbinen in Spanien. Während ein Grossteil der Materialien wie Stahl, Kupfer, Elektronik und Generatoren problemlos wiederverwendet werden kann, stellt die Entsorgung der glasfaserverstärkten Rotorblätter, die rund 15 Prozent der gesamten Anlage ausmachen, die Branche vor grosse Herausforderungen. Die Rotorblätter sind schwer zu recyceln, weil sie aus einer Kombination verschiedener Materialien bestehen, die sich nicht einfach trennen lassen. Im grossindustriellen Massstab gibt es bis heute kein Verfahren zum Recyceln der Rotorblätter.

Meldung aus factum 02/2024