
Es ist nur ein Beispiel. Aber eines von vielen, von sehr vielen. Deshalb ein Blick auf das, was in einer abgelegenen Region Österreichs geschieht. «Majestätisch eingebettet in die Ötztaler Alpen, von Gletschern und Bächen über Jahrtausende geformt», wie es Liliana Dagostin vom Österreichischen Alpenverein (ÖAV) anschaulich und begeistert beschreibt, liegt in Tirol auf 2300 Metern ein zehn Kilometer langes verstecktes Seitental. Aber dieses Tal mit seinem «hochalpinen Moor, den Feuchtgebieten und seinem mäandrierenden Bach ist mit seiner weitläufigen Ausdehnung und grossen Abgeschiedenheit nicht nur einzigartig», wie Bettina Urbanek und Maximilian Frey vom Word Wildlife Fund (WWF) beklagen: Seine Zerstörung ist beschlossene Sache.
Der Energiekonzern TIWAG plant hier einen Stausee mit einer 120 Meter hohen und 660 Meter langen Staumauer. Das Tal soll geflutet werden. Der Fotograf Sebastian Frölich1 hat sich dutzende Male zu allen Jahreszeiten mit schwerer Kamera- und Bergausrüstung auf den Weg in das Hochtal gemacht und keine Mühen gescheut, die Schönheit dieses komplexen Lebensraumes und seinen ökologischen Reichtum in einem Bildband zu dokumentieren: «Das Platzertal – Ein bedrohter Schatz in Tirol. Eine fotografische Reise» (oekom Verlag).
Gegen die Industrialisierung dieses Hochtals gibt es Widerstand vor Ort. 35 Vereine, Umweltorganisationen und Initiativen fordern einen endgültigen Stopp der Pläne zur Zerstörung des Platzertales. In dem Bildband kommen Wissenschaftler zu Wort, die über die Bedeutung dieser Natur- und Kulturlandschaft informieren und ihren Erhalt fordern. Aber ihnen steht nicht nur der Energiekonzern TIWAG entgegen, sondern eine Phalanx aus Politik und Medien, die der Sorge um den Erhalt der Natur keinen Raum geben. Es scheint ein Merkmal dieser Zeit zu sein, dass Vernunft und gesunder Menschenverstand immer weniger der Massstab sind, mit dem auf die Herausforderungen reagiert und gehandelt wird.
90 Prozent aller Moore in Österreich sind bereits verschwunden, schreibt Mag. Dr. Harald G. Zechmeister von der Universität Wien im Vorwort des Buches. Nur ein einziges Prozent der ursprünglichen Moorflächen Österreichs ist noch intakt. Dazu zählt auch das im Platzertal. Es ist das grösste von nur noch neun abgelegenen Hochtälern mit intakter Flora und Fauna. «Es ist völlig unverständlich, warum wir nicht wenigstens das letzte verbliebene, hydrologisch intakte ein Prozent der ursprünglichen Moorfläche unter Schutz stellen wollen und können», so Zechmeister. Er erinnert damit auch an die Bedeutung intakter Bergtäler und von solchen Hochmooren für den Hochwasserschutz. Es gibt kaum noch weitläufige Hochtäler mit intaktem Wasserhaushalt. Moore sind hervorragende Wasserspeicher. «Sie verhindern den raschen Abfluss nach heftigen Regenfällen und somit auch Überschwemmungen in tiefer gelegene Regionen», erklärt Zechmeister. Naturräume, die besonders vielfältige Lebenszusammenhänge für Pflanzen und Tiere ermöglichen, stellen nicht nur «einen ganz besonderen Naturschatz» dar, wie Fotograf Sebastian Frölich und Marlon Schwienbacher und Maximilian Frey vom WWF betonen. Hier geht es um «die mit Abstand grössten noch bestehenden und intakten Moor- und Feuchtgebietsflächen» Österreichs.
Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 01/2025