Nicaragua und Venezuela: Die einstigen Sehnsuchtsländer von vielen Linken in Europa, auf unzähligen Demonstrationen bejubelt, befinden sich in einem dramatischen Abwärtsstrudel von Gewalt, Armut, Korruption und Unterdrückung. Bei den einstigen Unterstützern herrscht betretenes Schweigen.
Thomas Lachenmaier
14. August 2018

Die sozialistische Regierung von Nicolas Maduro in Venezuela hat es geschafft, das Land mit dem reichsten Ölvorkommen ganz Lateinamerikas in ein Dritte-Welt-Land zu verwandeln, in dem die Menschen hungern und Seuchen zurückkehren, die man längst überwunden glaubte. Venezuela ist gesegnet mit Rohstoffen in Fülle, das Land bietet beste Voraussetzungen für Tourismus und Landwirtschaft. Und doch: 87 Prozent der 30 Millionen Venezolaner leben in bitterer Armut. 280 000 Kinder werden der Caritas zufolge in diesem Jahr an Unterernährung sterben. Elf Prozent der Kleinkinder sind mangelernährt. Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (Paho) berichtet, dass jetzt eine Masern- und eine Diphterie-Epidemie ausgebrochen ist. Anfang Juni wurde sogar Kinderlähmung registriert. Nach Angaben des Roten Kreuzes sind eine Million Venezolaner nach Kolumbien geflohen. Die Menschenrechtslage ist katastrophal. Der UN-Hochkommissar Said Raad al-Hussein sagt: «Wenn eine Schachtel Tabletten gegen Bluthochdruck mehr als einen Mindestlohn kostet und Milchpulver für Babys mehr als zwei Monatsgehälter, aber Proteste gegen diese untragbare Situation dich ins Gefängnis bringen, ist das eine extreme Ungerechtigkeit.» Präsident Maduro hat das Land militarisiert. Tausende Oppositionelle sitzen in den Gefängnissen. Allein zwischen 2015 und 2017 sind mindestens 505 Menschen von der Polizei ermordet worden. Seit über einem Jahr dauern die Proteste gegen die Regierung, gegen Misswirtschaft und Korruption an, obwohl die Polizei mit äusserster Gewalt vorgeht. Die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen. In den Krankenhäusern fehlt es an Desinfektionsmitteln und alltäglichen Medikamenten. Antibiotika sind nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Es sterben Menschen, weil sie nicht medizinisch versorgt werden können.

Ähnlich wie in Venezuela ist die Situation im sozialistischen Nicaragua unter der Herrschaft des Familienclans Ortega. Das Land versinkt im Chaos. Die Menschen gehen gegen das diktatorische Regiment auf die Strasse, obwohl viele dafür mit dem Leben bezahlen müssen. Zahlreiche Menschen wurden bei Einsätzen gegen Regierungskritiker getötet. Kein Wort dazu von den europäischen Linken.

Artikel aus factum 06/2018