Eine schwere Komplikation in einem frühen Stadium der Schwangerschaft konfrontiert eine junge Familie mit einer aussichtslosen Diagnose. Eine Erzählung von Hoffnung und Hilfe.
Mirela Calan
15. Dezember 2017

Es ist Samstag, der 6. Juni 2015. Ich mag mich gut an diesen Tag erinnern. Es war noch früh, viel zu früh. An diesem einen Samstag, an dem die Fruchtblase vorzeitig platzte.

Mit unseren drei lebensfrohen Kindern hatten wir reichlich viel Beschäftigung. Irgendwie wussten sie es sehr gut zu verstehen, wie sie ihren Eltern Worte wie «Langeweile» oder «Erholung» aus dem Wortschatz und Gedächtnis löschen konnten ... Die kleine Jael war gerade mal ein Jahr alt. Wir hatten trotz der anstrengenden Zeit sehr viel Freude an den drei Kindern. Und die Freude über das vierte Kind war gross.

Es geschah in der 15. Schwangerschaftswoche. Das bedeutet, ich war gerade im vierten Monat schwanger, als ich am Abend meine Rückenübungen machte. Bald bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Zwischen den Beinen wurde es plötzlich warm und nass. Nach anfänglichem Zögern, es könnte vielleicht nur ein unkontrolliertes Wasserlassen gewesen sein, was ja während einer Schwangerschaft vorkommen kann, wurden wir unsicher. Wir beschlossen, die Kinder bei der Familie abzugeben und zur Kontrolle ins Krankenhaus zu fahren.

Dort angekommen, bestätigte sich unsere Befürchtung: vorzeitiger Blasensprung (mit nachfolgend fehlendem Fruchtwasser). Die beiden untersuchenden Ärztinnen waren sichtlich betroffen. Sie teilten uns mit: «Das Ergebnis ist klar. Es tut uns leid.» Auch ein anschliessender Ultraschall bestätigte die Diagnose. Was nun? Wie sollte es jetzt weitergehen? Im Ultraschall war zwar sichtlich weniger Fruchtwasser vorhanden, aber das kleine Baby bewegte sich doch frisch und lebensfröhlich!

Die Ärzte wiesen uns darauf hin, dass ein solch früher Blasensprung leider das Ende der Schwangerschaft bedeutet: «Medizinisch gesehen gibt es keine Möglichkeit, die Schwangerschaft weiterzuführen. Das Kind wird spätesten in den nächsten sieben bis zehn Tagen durch das Einsetzen der Wehen – ausgelöst durch den Blasensprung – abgestossen. Es stirbt.» Sie empfahlen uns deshalb den vorzeitigen Abbruch der Schwangerschaft.

Wie bitte? Abbrechen? Das Kind jetzt, in diesem Moment, abtreiben? Einem bis zu diesem Zeitpunkt gesund entwickelten Baby das Leben verwehren, es mittels eigenem Handeln umbringen? Und das, obwohl es mir und unserem Kind gegenwärtig gut geht? Das Kind hatte sich doch bisher wunderbar entwickelt. Und auch jetzt sah es auf dem Ultraschall, soweit es die Ärzte beurteilen konnten und trotz des sichtlich reduzierten Fruchtwassers, ganz gesund und munter aus. Es fehlte ihm nichts.

Wir konnten und wollten es nicht hören und wahrhaben, dass nun durch menschliches Zutun unserem schon jetzt von Herzen geliebten Kind irgendetwas angetan wird. Diese Entscheidung, das war uns von Anfang an klar, hatten weder wir noch die Ärzte zu treffen. Als Menschen, die durch das gnädige Wirken des lebendigen Gottes an ihn glauben, war uns klar, dass diese Entscheidung allein Gott, der dieses kleine Leben, dieses Baby, gewirkt hat, zusteht. Ihm allein.

So haben wir dann auch unsere Position klar ausgedrückt – und bekannt, dass wir als überzeugte Christen die Schwangerschaft auf keinen Fall selbst beenden wollen. So Gott will, kann Er mich und das ungeborene Baby bewahren, «denn bei Gott ist kein Ding unmöglich» (Lukas 1,37). Und falls Er will, so wird der Abbruch der Schwangerschaft ebenfalls durch Ihn allein erfolgen und das Kind wird von alleine abgehen.

Es ist interessant, dass der erwähnte Vers aus dem Lukasevangelium ebenfalls unmittelbar im Zusammenhang mit einer unmöglichen Schwangerschaft steht. Der Engel Gabriel teilte Maria bei der Ankündigung von Jesu Geburt mit, dass auch ihre Verwandte, Elisabeth, schwanger ist. Und dass sie, die vorher «die Unfruchtbare» genannt wurde und aufgrund ihres Alters medizinisch gesehen unmöglich ein Kind bekommen konnte, zu dieser Zeit bereits im sechsten Monat schwanger war. Wie herrlich passte daher dieser Vers zu unserer ebenfalls aussichtslosen Situation.

Medizinisch gesehen machte es keinen Sinn, die Schwangerschaft weiterzuführen. Die Ärzte informierten uns, dass wir uns auf das baldige Einsetzen der vorzeitigen Wehen einstellen müssen. Sie gaben dem ungeborenen Kind keine Überlebenschance. Und falls, wider Erwarten, die Schwangerschaft trotz allem weitergehen sollte, würde es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht lebensfähig zur Welt kommen. Aber auch für die Mutter bestand eine überaus hohe Gefahr einer risikobehafteten Infektion. Was für eine Prognose!

Wahrlich eine nicht einfache Glaubensprüfung, sowohl für mich als auch für meinen Mann. Trotz aller negativen Zukunftsaussichten haben wir uns gemeinsam entschlossen, fest auf unseren HERRN zu vertrauen und den weiteren Verlauf in seine Hände zu legen und abzuwarten. Wir waren bereit, alles uns Mögliche zu unternehmen, damit es unserem Baby gut gehen und es (über-)leben darf. Die leitende Ärztin der Frauenklinik empfahl mir, zur Beobachtung im Krankenhaus zu bleiben. Sie verschrieb mir absolute Bettruhe.

Uns wurde bewusst, dass nun eine nicht ganz einfache Zeit auf uns zukommt. Ich lag im Spital und durfte aufgrund der absoluten Bettruhe die folgenden zwei Wochen nicht mehr aufstehen, nicht einmal mehr, um zur Toilette zu gehen. Je nach Verlauf würde man das weitere Vorgehen besprechen. Zu der besonders herausfordernden Situation in der Frauenklinik, den Sorgen um die ungewisse Zukunft, kamen die Sorgen um die Kinder und das Zuhause hinzu. Doch in alledem hat uns unser HERR in seiner Gnade getragen. Er hat uns eine wunderbare und hilfsbereite Familie zur Seite gestellt. Wo überall möglich, wurde mitgeholfen und unterstützt. Naomi, unsere Älteste, fing mit der Schule an und kam in die 1. Klasse. Sie durfte mittags zur Tante, welche gleich in der Nähe wohnt. Die beiden Kleinen, Joshua und Jael, durften morgens zu den Grosseltern.

Und so gingen wir ins Gebet und lernten während dieser Zeit, was es bedeutet, in Abhängigkeit und aus Gnade zu leben. Wir lernten, was es heisst, loszulassen und zu vertrauen. Denn sowohl uns als auch den Ärzten waren die Hände gebunden und weder wir noch sonst jemand konnte in irgendeiner Form etwas dafür tun, damit das Fruchtwasser nicht mehr abgeht. Auch zu einer gesunden Entwicklung des ungeborenen Lebens, ob mit oder ohne Fruchtwasser, konnte keine Menschenhand etwas beitragen. Diese Ohnmacht stellte unseren Glauben auf die Probe.

Diese Zeit der Prüfung stärkte unseren Glauben und unser Vertrauen. Wenn wir heute zurückblicken, so können wir nur sagen: Welch gesegnete und erfüllte Zeit dies doch war. Die Gemeinschaft mit unserem Herrn und Gott war in jenen Tagen sehr intensiv und wir durften oft erfahren, wie er heute noch lebt und wirkt, und wie er auch heute noch durch sein Wort zu uns spricht. In vielen Situationen und Ängsten hat er uns zur Ruhe gebracht, hat uns Trost und Kraft gespendet. Wir durften uns durch unseren Herrn getragen fühlen. Die Gebete der Familie und Glaubensgeschwister waren uns eine starke Stütze.

Die ersten Tage und Wochen vergingen. Fruchtwasser ging zwar weiter ab, aber die befürchteten Wehen blieben aus. Nach ungefähr zwei Wochen absoluter Bettruhe wurde diese etwas erleichtert. Untersuchungen folgten. Die Ärzte waren selbst überrascht, dass die Schwangerschaft weiter intakt war und keine Wehen eingesetzt hatten. Es folgten weitere Tage und Wochen der Bettruhe und weitere Kontrollen. Diese Untersuchungen fielen uns jeweils besonders schwer, denn jedes Mal wurden unsere Herzen berührt und die Tränen schossen uns in die Augen, wenn wir im Ultraschall unser kleines Baby, zusammengerollt und ohne
genügend Bewegungsmöglichkeiten wegen des fehlenden Fruchtwassers, da im Bauch liegen sahen.

Nach mehreren Wochen im Spital wurde die Liege- und Schonpflicht nach Hause verlegt. In dieser Situation
hatte ich viel Zeit, um nachzudenken, zu recherchieren und zu lesen. Die meiste Zeit las ich in meiner Bibel und klammerte mich an allem fest, was in meine Situation hineinsprach. Und bei all meinen Gedanken und Sorgen halfen mir in besonderer Weise die Psalmen. Hier fand ich Trost und Zuspruch. Etwas, das mich während meiner Zeit des Liegens sehr belastete, war die Angst. Die Angst vor der Ungewissheit: Wird das Kind überleben oder nicht? Falls ja: Wird es selbst atmen können? Wird es körperliche oder geistige Behinderungen haben? Oder stirbt es sogar bereits vorher? Werde ich ein totes Kind gebären müssen?

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 9/2017.