Das Wort Gottes ist eine Einladung, sich mit Gott vertrauensvoll jeden Tag neu auf das Leben einzulassen und sich nicht zu sorgen. Über den Irrweg angstgeleiteter Politik.
Thomas Lachenmaier
7. September 2020

Motorradfahrer wissen: Wer bei der Fahrt durch eine Kurve seinen Blick auf das Hindernis richtet, welches auf der Fahrbahn liegt, der wird genau damit kollidieren. Wer als Radfahrer bei der Abfahrt von einem Pass den Blick zum bedrohlichen Abgrund richtet, wird genau dahin fahren. Ins Unglück. Die Blickführung ist entscheidend, bestimmt den Weg. Es gilt, den Blick gegen den eigenen In-stinkt zu disziplinieren. Das ist auch ein Lebensprinzip, ein geistliches Prinzip: Fürchte dich nicht, schau nicht auf die Gefahr und das Böse. Schau auf das Rettende. Schau auf das Stärkende. Schau auf das Gute. Schau auf das Ziel.

Der politische Zeitgeist lehrt und handelt anders. Bei den grossen, drängenden Fragen dieser Zeit – oder denen, die dafür gehalten werden – zentrieren Medien und Politik den Blick auf das jeweils denkbar Schlimmste, was kommen könnte. In Bezug auf eine gehäuft auftretende Viruserkrankung führte dies zur (falschen) Vorhersage von Hunderttausenden Toten allein in Deutschland. Auch wenn längst klar ist, dass die Zahl der tatsächlich schwer Erkrankten und Verstorbenen im Rahmen üblicher saisonaler Epidemien liegt, wird der Schrecken weiter medial potenziert. Medien und Politik verengen den Blick der Massen auch dann noch auf die potenziell katastrophale Entwicklung, den schrecklichen Einzelfall. Das vernünftige In-Relation-Setzen der Krankheit und ihrer Gefährlichkeit wird diskreditiert und in den Medien unterdrückt. Politiker und Medien diffamieren besonnene Menschen, seien es Mediziner, Epidemiologen, Virologen, Soziologen, Philosophen oder einfach Menschen, die dem Ruf zur Panik nicht folgen wollen.

Dem Ziel, die Verbreitung des Virus zu unterbinden, wird alles untergeordnet. Das Virus ist der Feind. Aber: Der Mensch selber ist der Transporteur dieses Virus. So wird mit dem Virus auch der Mensch zum Feind des Menschen. Ist der Nächste überhaupt vertrauenswürdig? Infiziert er mich? Gehorcht er den Vorgaben der Politik im Kampf gegen den Feind? Ist er gehorsam? Der Mensch muss isoliert, separiert werden. Die Regierung dekretiert: Verharre in deiner Wohnung, verbirg dein Gesicht hinter einer Maske, habe keine Gemeinschaft mit anderen Menschen, lebe in beständiger Besorgnis und denunziere jene, die Anweisungen nicht folgen, gib deine Rechte auf, lass dich überwachen – deine Bewegungen, dein Verhalten, deine Kontakte. Nur wenn jeder der politischen Führung vertraue und gehorsam den Anordnungen folge, werde es gelingen, den «Krieg» gegen die Krankheit zu gewinnen.

Zugleich kommt aber die widersprüchliche Botschaft, ein normales Leben könne es nur geben, wenn die ganze Bevölkerung geimpft sei, fortan regelmässig geimpft werde. Jemand hat formuliert: «Wir sind von Bürgern zu Untertanen geworden.» Das geschah schneller, als sich das irgendjemand vorstellen konnte. Der Schweizer Journalist Eugen Sorg schreibt, dass sich archaische Ängste vor einem unsichtbaren Erreger, eine durch die Medien befeuerte Panik und Obrigkeitsglaube als stärker erwiesen haben als Vernunft und Freiheitsinstinkt.

Diese politische Reaktion ist bezeichnend für den Menschen des 21. Jahrhunderts, von dem die französische Philosophin Chantal Delsol sagt, dass er sich unversehens in einer Welt «ohne Sinn und Identität» wiedergefunden habe. Der Mensch mit Sinn und Identität hätte zu einer besonnenen Reaktion auf die Herausforderung gefunden, bei der man die alten Menschen nicht in eine verzweifelnde Einsamkeit gestossen hätte, in der sie ohne Kinder und Angehörige ihre letzten Tage verbringen müssen. Wie viele Menschen jeden Alters mögen buchstäblich in der Einsamkeit, am Verlassensein, an Depression gestorben sein und noch sterben?

Die staatlichen Massnahmen haben das soziale und medizinische Problem der Einsamkeit und Isolation extrem verstärkt. Der Arzt und Buchautor Prof. Manfred Spitzer («Einsamkeit, die unerkannte Krankheit», Droemer & Knaur Verlag) erklärt, dass Einsamkeit ein extremer Stressfaktor mit schweren gesundheitlichen Folgen ist. Die Menschen in Angst und Einsamkeit zu führen, kann zur Folge haben, dass das Immunsystem geradezu «abgeschaltet» wird. Spitzer zitiert eine Metaanalyse, basierend auf 148 Studien, die zeigt, dass die Sterbewahrscheinlichkeit infolge von Einsamkeit ungefähr so hoch ist wie von Alkoholmissbrauch, Bluthochdruck und Übergewicht zusammen.

Was hiesse es, die Blickführung zu ändern – weg vom Schockstarren des Tunnelblicks auf das Virus als Todbringer – hin auf die Fähigkeit unseres Körpers, mit Viren umzugehen? Viren sind lebensnotwendige Bestandteile unseres körperlichen Ökosystems und Teil unseres Immunsystems, erläutert die Virologin Mirjam Schilling. Auf das Gute blicken könnte in diesem Kontext also bedeuten, das Immunsystem zu stärken, anstatt den Menschen zu einem Leben in Vereinzelung, in Angst vor dem anderen und der Zukunft zu führen.

Der Mensch wird nicht dadurch gesund, noch kann er Krankheit dadurch vermeiden, dass er seine Existenz in einer keimfreien, virenfreien, aseptischen Umwelt verbringt. Ganz im Gegenteil: Erst das freudige Leben mitten und in der physischen Umwelt mit all ihren Bakterien, Viren und mit allem, was kreucht und fleucht, macht ihn zu einem lebendigen Teil von diesem Ganzen. «Ohne Viren hätten wir keine Verdauung und sie schützen uns vor Infektionen. Sie können uns schaden, aber auch Besonderes hervorbringen. Wir brauchen sie!», erklärt die Virologin Karin Moelling.

Eine Politik zur Unterbrechung der Infektionsketten unterbricht alle Infektionsketten, den Austausch aller Viren, Bakterien, Sporen. Immunität erlangen wir aber gerade durch den ständigen Kontakt mit dem Lebendigen, das uns umgibt. Der Mensch ist nicht für das Leben im keimfreien Raum geschaffen, er ist Teil des Lebens in diesem Milieu und besteht selber unter anderem auch aus Bakterien und Viren. Das kindliche Immunsystem entwickelt sich überhaupt erst durch Kontakt mit Bakterien und Viren, die sie im Kontakt mit anderen Kindern aufnehmen. Wenn Ärzte darauf hinweisen, dass die Isolations- und Desinfektionspolitik deshalb auch kontraproduktive Aspekte hat, wird das von Politik und Medien nicht aufgenommen. Desinfektionsmittel enthalten krebserregende Stoffe, schädigen den natürlichen Schutz der Haut. Milliarden von Menschen desinfizieren sich mehrmals täglich die Hände und nehmen damit schädigende Stoffe über die Haut und die Luft auf, oder dadurch, dass sie anschliessend die Lippen berühren oder Lebensmittel anfassen. Bei wie vielen von ihnen wird dies später einmal eine Krebserkrankung auslösen?

Der Händedruck, die Umarmung, der Wangenkuss zur Begrüssung, das enge Beisammensitzen am grossen Tisch, an dem Essen und Trinken geteilt wird, an dem man singt und lacht, werden unter dem Diktat einer Gesundheitspolitik zur kriminellen, zur potenziell todbringenden Handlung. Dabei ist körperliche Gesundheit auch eine Frage der leiblichen und sozialen Eingebundenheit in eine soziale und geistliche Gemeinschaft. Der Essayist Charles Eisenstein fragt, ob wir bereit sind, «die Bestimmungshoheit über unsere Körper medizinischen Autoritäten (die von politischen ernannt werden) zu überantworten? Wollen wir, dass jede Veranstaltung eine virtuelle Veranstaltung wird? Wie sehr sind wir bereit, in Angst zu leben?» Zu einem gesunden Immunsystem gehört auch, dass man der eigenen Vernunft traut.  

Menschen sterben nicht an Viren wie an einer Gewehrkugel. Sie sterben an der Unfähigkeit des Immunsystems, darauf kraftvoll und richtig zu reagieren. Deshalb ist es für die allermeisten Menschen sinnvoller, das Immunsystem zu schützen und zu stärken, als den Menschen durch Abstand, Masken und giftige Desinfektionsmittel vor Kontakt mit Bakterien und Viren zu isolieren. Ein solch rigider Schutz kann bei Menschen sinnvoll sein, deren Immunsystem durch eine bestimmte Erkrankung oder eine Therapie gerade beeinträchtigt ist. Stärken kann man das Immunsystem auf vielfältige Weise. Ausreichender Schlaf gehört dazu, eine gute Ernährung, Sonnenlicht, ein aktiver Lebensstil mit viel Bewegung. Und Waldspaziergänge: Japanische Studien dokumentieren, dass die in Waldluft enthaltenen Terpene das Immunsystem signifikant stärken. Die Zahl der körpereigenen Killerzellen steigt, zugleich werden sie aktiviert. Anti-Krebs-Proteine vermehren sich, das Stresshormon Cortisol wird reduziert. Joel Dimsdale, Professor an der Universität von San Diego, schreibt, dass es sich beim Immunsystem um eine Art Sinnessystem handelt, welches fähig ist, wahrzunehmen, zu kommunizieren und zu handeln.

Das Immunsystem ist ein weites Forschungsfeld. Die Wissenschaft steht erst am Anfang, dieses tatsächlich zu verstehen. Ein starkes Immunsystem ist Ausdruck davon, dass ein Mensch vital ist, dass Leib und Seele und Geist in einem lebendigen Einklang sind. Auf welche vielfältige und komplexe Weise sich der menschliche Körper vor schädlichen Bakterien und Viren schützt, ist umso wundersamer, je mehr man sich damit befasst. Man kann nur staunen, wie genial Gott den Menschen auch in dieser Hinsicht geschaffen hat.

Berührungsverbote, Isolationsgebote und Bewegungseinschränkungen sind nicht nur Manifestationen der Sorge um das Leben, sie sind zugleich auch Ausdruck von Angst vor dem Leben, ja von Lebensfeindlichkeit. Sie sind aus Angst geboren. Sie berücksichtigen nur unzureichend den Segen des Eingebundenseins des Menschen in das Lebendige. Die Bibel wird nicht müde, vor Angst und Sorge zu warnen. Das ganze Wort Gottes ist eine Einladung, sich vertrauensvoll jeden Tag neu mit Gott auf das Leben einzulassen und sich nicht von Sorgen und Ängsten gefangennehmen zu lassen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 05/2020.