Die «Energiewende» ist eines der grössten Infrastrukturprojekte der Geschichte. Sie treibt absurde Blüten und führt zu ökologischen, sozialen und geistlichen Verwerfungen.
Raphael Berger
19. April 2022

Berlin, Anfang Januar 2022: 90 000 Haushalte sind ohne Strom und Fernwärme. Liegt es daran, dass Deutschland zum Jahresende drei Atomkraftwerke vom Netz genommen hat? Vielleicht. Ist es ein Vorgeschmack auf einen drohenden Blackout? Mitte Februar warnte der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) genau davor: «Leider sind wir in Deutschland auf die Folgen eines flächendeckenden Stromausfalls nicht ausreichend vorbereitet», mahnte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Ein lang anhaltender, flächendeckender Stromausfall sei das schlimmste Kata­strophenszenario, «zerstörerischer als alle Naturgefahren, verheerender als eine Pandemie», so die Organisation. Der Krieg in der Ukraine hat ein weiteres Risiko schonungslos offengelegt: die Abhängigkeit von Russland. Deutschland und die Schweiz beziehen rund 50 Prozent ihres Gases aus Russland. Von den deutschen Erdölimporten entfallen 34 Prozent auf Russland, bei der Steinkohle sind es 45 Prozent.

Ungeachtet dieser Situation wollen Deutschland und die Schweiz die «Energiewende» stemmen. Die «klimaneutrale» Stromproduktion soll in Deutschland bereits 2035 Tatsache sein. Der Ökostrom-Anteil muss von heute rund 42 Prozent auf 80 Prozent bis 2030 verdoppelt werden. Den steigenden Strombedarf miteingerechnet bedeutet das eine Verdreifachung der Produktion. Dieses Ziel soll fast ausschliesslich durch Windräder und Photovoltaik erreicht werden. Soweit die Theorie. Nun haben stark gestiegene Energiepreise als Folge der künstlich herbeigeführten Verknappung des Angebots und die Ereignisse rund um den Krieg in der Ukraine die Ampelkoalition jäh auf den Boden der Realität zurückgeholt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte in einem Interview: «Die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein.» Sicherheit ist also wichtiger als Klimaschutz. Konkret bedeutet es, dass Deutschlands Kohle­kraftwerke nun doch nicht im Jahr 2030 endgültig erlöschen. Ein Betrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke über 2022 hinaus ist jedoch weiterhin kein Thema.

Verwerfungen

Daneben werden Wind- und Solarenergie mit teils brachialen Methoden vorangetrieben. Die Energiewende treibt so ihre absurden Blüten und führt in unterschiedlichen Regionen zu ökologischen und sozialen Verwerfungen. Beispiel Ecuador: Das Land ist begehrt für sein Balsaholz. Dieses biegsame und harte, zum anderen aber leichte und widerstandsfähige Holz wird für den Bau der Rotorblätter von Windkraftanlagen verwendet. Für ein Rotorblatt zwischen 80 und 100 Meter Länge benötigt man bis zu 150 Kubikmeter Holz. 2020 exportierte Ecuador 75 Prozent des weltweit gehandelten Balsaholzes im Wert von rund 700 Millionen Euro. Die rasant steigende Nachfrage hat illegale Holzfäller auf den Plan gerufen, unter der indigenen Bevölkerung ist ein Streit zwischen Gegnern und Befürwortern entbrannt. Das mitunter rabiate Vorgehen der Holzfäller, die oft Alkohol, Drogen, Prostitution und Müll mitbringen, verschärft die sozialen Konflikte. Sprecher des Indigenen-Verbandes NAE haben unlängst zu einem Exportstopp des begehrten Balsaholzes aufgerufen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 03/2022