Ernst Bergen hat wesentlich zum Erfolg der Regierung Duarte in Paraguay beigetragen – bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Reduzierung von Korruption. Jesus als Vorbild beim Führen.
Bettina Hahne-Waldscheck
11. Mai 2016

factum: Sie waren Industrie- und Handelsminister, dann Finanzminister unter der Regierung Duarte in Paraguay. Bevor wir darüber sprechen, erzählen Sie uns etwas über Ihren familiären Hintergrund. Sie sind in einer mennonitischen Kolonie aufgewachsen …
Ernst Bergen: Die Verhältnisse in einer Mennonitenkolonie im paraguayischen Chaco waren damals durch Strenge und eine ausgeprägte Arbeitsmoral geprägt. Meine beiden Eltern waren Krankenpfleger und lehrten mich, dass ohne Anstrengung nichts erreicht werden kann. Ich selbst galt als Heranwachsender allerdings als Draufgänger. Die Schule lag mir nicht besonders, dafür aber vielmehr die Motorräder, die ich selbst frisierte. Der christliche Glaube wurde wie selbstverständlich in der Familie, der Schule und der Gemeinde vermittelt. Zu einem persönlichen Zugang zum Glauben fand ich jedoch erst als junger Erwachsener, als ich in der Landwirtschaftsschule in Caacupé mit von den christlichen abweichenden Wertvorstellungen einheimischer Jugendlicher konfrontiert wurde.

factum: Wie kam es überhaupt dazu, dass Mennoniten, die ihren Ursprung in der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts haben, nach Paraguay auswanderten?
Bergen: Die Mennoniten in Paraguay haben im Wesentlichen zwei Wurzeln. Zum einen stammen sie aus Kanada, wo bis heute noch viele Mennoniten leben. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die bis dahin gewährte Freiheit, eigene Schulen zu unterhalten, eingeschränkt werden sollte, suchten Gruppen von kanadischen Mennoniten nach Alternativen. Andere kamen aus Russland oder aus Polen, wie meine Grosseltern.

factum: Sie studierten dann in Asunción Betriebswirtschaft. Nebenbei begannen Sie bei einer Elektrofirma zu arbeiten, wo Sie bald Filialleiter wurden. Dabei entdeckten Sie Ihre Liebe zum Unternehmertum und die Bedeutung von Leitung.
Bergen: Schon früh hatte ich Freude daran, andere Menschen zu führen. Wichtig ist aber, dass Führung nicht gleichbedeutend mit Kommandieren ist. Man hat eine Verantwortung für die Menschen, mit denen man arbeitet, und ich hatte sie auch für den Betrieb, der mir anvertraut wurde. Es war mir eine Hilfe, als Student auf unterster Ebene im Unternehmen angefangen zu haben und so mit der Situation der einfachen Arbeiter vertraut zu sein.

factum: Sie besuchten dann Dale-Carnegie-Kurse über zwischenmenschliche Beziehungen, stiegen zum Vizepräsidenten und einflussreichen Gesellschafter von Record Electric auf. Sie liessen sich in Ihren Entscheidungen von Jesus beeinflussen, was zu grossem Erfolg führte. Nennen Sie ein Beispiel, wie Sie Jesus im Unternehmertum als Vorbild nahmen.
Bergen: Paraguays Gesellschaft ist traditionell sehr hierarchisch organisiert, das heisst, Untergebene haben relativ wenig Einfluss auf Entscheidungsprozesse. Jesus verhielt sich mit seinen Jüngern vollkommen anders. Er war ein Leiter und wurde als solcher auch von seinen Nachfolgern respektiert, aber er setzte alles daran, Menschen zu befähigen und ihnen Verantwortung anzuvertrauen. Jesus gab sich selbst für seine Nachfolger hin und diente ihnen, anstatt sich von ihnen bedienen zu lassen. Dabei nutzte Jesus eine klare, eindeutige Sprache, die selbst von einfachen Arbeitern oder Fischern verstanden wurde.

factum: Sie verhalfen auch vielen anderen Firmen im Aufbau als Unternehmensberater zum Erfolg. Was waren weitere Ihrer Erfolgsrezepte?
Bergen: Mein Grundsatz ist, dass ein Unternehmer ein Mensch sein sollte, der anderen Menschen im Betrieb dient. Und gemeinsam dienen sie dem Kunden, der Gesellschaft. Wesentlich ist die Persönlichkeit des Unternehmers: Welches sind seine Stärken, welche Begabungen und Interessen kann er in besonderer Weise vertreten? Der Unternehmer muss seine Individualität in den Betrieb einbringen können, und natürlich muss er auch in der Lage sein, seinen Mitarbeitern eine Vision, ein Ziel, zu vermitteln, das weiter reicht als nur der finanzielle Profit. Christen haben hier eine ganz andere Perspektive als Unternehmer, die letzten Endes ihr eigener Herr sind. Deswegen investierte ich ganz gezielt in Betriebe, welche von praktizierenden Christen geleitet wurden.

(Interviewauszug aus factum 04/2016)