Wer in Amerika im Hotel ein Spiegelei bestellt, wird gefragt, wie er es denn gerne haben möchte: Sunny Side Up? Oder lieber Upside Down? Leider fragt niemand, wie wir die Welt gerne hätten. Sie ist nicht Sunny Side Up, sie ist Upside Down. Alles ist auf den Kopf gestellt: Nichts gilt mehr, alles ist umgestülpt.
Thomas Lachenmaier
16. April 2021

Nicht mal auf die Linken und Grünen ist mehr Verlass. Es ist nicht lange her, da war bei ihnen klar: Der Feind, das sind die Reichen. Das ist der Kapitalist. Und so passten 2017 auch sorgfältig recherchierte Artikel auf die Website der «Heinrich-Böll-Stiftung» (die den Grünen nahesteht), in denen man die Geschäftspraktiken des damals reichsten Mannes der Welt (88,5 Milliarden Dollar) kritisierte. Da wurde über den «internationalen Skandal erster Güte» berichtet, dass dieser vermeintlich philanthropische Multimilliardär über seine die Menschheit beglückende Stiftung mit gewaltigen Summen heimlich einen UN-Prozess manipulierte, bei dem es um die Regulierung der Freisetzung genetisch manipulierter Lebewesen in der Hightech-Landwirtschaft ging. Besagter Milliardär wollte hier freie Bahn schaffen für die Konzerne, mit denen er kooperiert. Mehr als tausend Mails waren öffentlich bekannt geworden – und der Skandal um die «Gene Drive Files» wurde publik.

Nun, dem Ruf dieses Mannes hat es nicht geschadet und er ist heute um ein Viertel reicher (mehr als 100 Milliarden). Allein das Covid-Jahr hat ihm weitere Dagobert Duck-Dukaten in schwindelerregender Menge in die Tresore gespült. Insofern ist alles wie gehabt. Aber halt, die Welt steht ja Upside Down. Wir erkennen das daran, dass bei den Grünen (und der Grossen Koalition von Links-Grün bis Kanzleramt) heute dieser Mann auf keinen Fall mehr kritisiert werden darf. Wer Zweifel an seinem Gutsein äussert, steht heute ausserhalb von Allem. Der ist ein Verschwörungstheoretiker. Der gute Mann, der gute Mensch heisst Bill Gates.

Die Artikel aus dem Vor-Corona-Äon sind tatsächlich lesenswert, sauber recherchiert.1 Sie zeigen, wie Gates ohne politische Legitimation mit seiner Stiftung afrikanische Märkte mittels NGO’s für Grosskonzerne öffnet, agrarökologische Lösungen zugunsten biotechnologischer und gentechnischer Lösungen verhindert, in Gesundheit als Big Business investiert. Als Folge wurde laut «Ärzte ohne Grenzen» der Impfschutz für Kinder in betroffenen Ländern 68 Mal teurer. Der Weg wurde freigemacht für die Strategien von Pharmakonzernen wie «Pfizer», in globalem Massstab Institutionen zu manipulieren. Früher haben Grüne so etwas kritisiert.

Inzwischen gibt es Bewegung bei Grünen und Linken. Mehrere Journalisten der Hauszeitung der Grünen, der «taz», haben das Blatt verlassen, weil sie sich im engen Meinungskorridor nicht mehr wohl fühlten, und sind zur systemkritischen Website «Rubikon» abgewandert. Und am 1. Januar dieses Jahres veröffentlichte eine neue linke Gruppierung einen Aufruf, der ein Umdenken in der Szene fordert.2 Zur Abgrenzung von den Upside-Down-Linken nennen sie sich «Freie Linke». Es sieht so aus, dass da ein Frühstücksei nochmal gewendet wurde. Das sieht zwar nicht aus wie Sunny Side Up, aber immerhin.

Meldung aus factum 02/2021.

1 https://www.boell.de/de/2017/11/20/milliardaere-bestimmen-globale-agenda; https://www.boell.de/de/die-gene-drive-files
2 http://freie-linke.de/