
Der vor 550 Jahren am 6. März 1475 in dem nahe Florenz gelegenen Ort Caprese geborene Michelangelo Buonarroti war als genialer Bildhauer und Maler geradezu ein Künstler-Gigant. Auch als zeitweiser Bauleiter des Peterdoms hat er sich hervorgetan. Schon zu Lebzeiten eine Legende, erteilten ihm nicht zuletzt die Päpste in Rom überaus lukrative, anspruchsvolle Aufträge, deren Ausführungen sich oftmals über mehrere Jahre hinzogen.
Ungebrochene Faszination
Seine Gemälde und seine aus Marmorstein gehauenen Skulpturen üben auch heute noch durch ihre Kunstfertigkeit, Kreativität und Ausdrucksstärke auf die Betrachter eine grosse Faszination aus und bieten unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten ihrer künstlerischen (und oftmals auch religiösen!) Aussage an. Besonders bekannt sind Michelangelos gewaltige Gemälde an der Decke der Sixtinischen Kapelle, die Szenen der biblischen Schöpfungsgeschichte darstellen. Nicht weniger berühmt ist auch das riesige Freskengemälde vom «Jüngsten Gericht», das sich über die gesamte, rund 226 Quadratmeter umfassende Westwand dieses Sakralbaus erstreckt. Von Michelangelos herausragenden Plastiken seien beispielhaft die Kolossalstatue des David – mit ihm erlebte der Künstler Anfang des 16. Jahrhunderts endgültig seinen Durchbruch als anerkannter und aussergewöhnlich begabter Bildhauer – und die des Moses genannt oder aber auch die «römische» Pietá-Skulptur.
Der am Ende 88 Jahre alt gewordene Michelangelo hatte bis zuletzt ganz für die Kunst gelebt und ihr alles andere untergeordnet. Er scheute keine Mühe und keine Strapazen, keine Entbehrungen und Opfer, um in ungeteilter Hingabe, ja geradezu schon obsessiv ein Höchstmass an menschenmöglicher Perfektion in seinen Kunstwerken zu erzielen. So lag er etwa bei der Deckenbemalung der Sixtinischen Kapelle vier Jahre lang täglich acht Stunden auf dem Rücken auf einem riesigen Gerüst, um in dieser überaus anstrengenden Position die Fresken anzubringen, deren Ausführung als besonders anspruchsvoll und kompliziert galt.
Michelangelo besass einen sehr schwierigen Charakter, durch den er es sich und anderen nicht immer leicht machte. Er war aufbrausend und jähzornig, schroff und eigenbrötlerisch. Auch galt er als ausgesprochen geizig und geldgierig. Und das, obwohl er selbst äusserst bescheiden, ja fast schon spartanisch lebte.
Spätestens seit 1538 unterhielt Michelangelo eine enge Freundschaft mit der berühmten und von vielen verehrten Vittoria Colonna. Die aus einer der einflussreichsten adligen Familien Roms stammende Frau war an kulturellen Fragen sehr interessiert und galt selber als eine der bedeutendsten italienischen Lyrikerinnen ihrer Zeit. Dann aber kam es zu einer geistlichen Erneuerung in ihrem Leben. Oder, wie einer ihrer engsten Vertrauten es formulierte: «(...) hat sie ihr ganzes Dasein Gott zugewandt und schreibt über nichts anderes mehr». Sie stand in Kontakt und Gesprächsaustausch mit anderen Mitgliedern der kleinen innerkirchlichen Reformbewegung der «Spiritualen», die sich durch eine tiefe Frömmigkeit auszeichneten und denen – angeregt durch die Lehren Luthers und Calvins – eine geistliche und lehrmässige Erneuerung der römisch-katholischen Kirche am Herzen lag. Besonders wichtig war dieser Bewegung die Betonung, dass der Mensch allein durch die göttliche Gnade und den Opfertod Christi Erlösung erlangt, und dass dessen Aneignung nicht durch Werke, sondern durch den Glauben geschehe.
Bei ihren zum Teil heimlich durchgeführten Treffen, an denen auch Michelangelo verschiedentlich teilnahm, tauschten sich die «Spiritualen» miteinander aus, lasen die Bibel oder auch evangelische Schriften. Besonders beliebt war bei ihnen das damals eben erst erschienene und sich schnell ausbreitende Werk «Beneficio di Cristo» («Über die Heilstat Christi»), das ein Benediktinermönch inkognito verfasst hatte und das die Amtskirche wegen seiner reformatorischen Gedanken sogleich zu unterdrücken versuchte.
Michelangelo ist in seiner religiösen Einstellung und Entwicklung sehr stark von den «Spiritualen» geprägt worden. Besonders gross war dabei der Einfluss, den Vittoria Colonna auf den namhaften Künstler ausübte. Ihre Meinung, ihre Gedanken und Anregungen bedeuteten diesem sehr viel. Das galt auch für sein künstlerisches Schaffen und sein Dichten, denn auch in Letzterem tat sich Michelangelo hervor.
Der Einfluss des Glaubens
Es ist interessant zu beobachten, wie sich seine neugefundene religiöse Haltung ganz offensichtlich auch in einigen seiner grossen Kunstwerke widerspiegelt.
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