Linker und islamischer Judenhass erobert die Universitäten. Wer den radikalen Islam erforscht und kritisiert, wird ausgegrenzt. factum sprach mit der Islam-Expertin Prof. Dr. Susanne Schröter.
Bettina Hahne-Waldscheck
6. Oktober 2024

factum: Liebe Frau Schröter, Sie sind als Professorin für Ethnologie und Leiterin des «Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam» seit einigen Jahren immer wieder Anfeindungen ausgesetzt.Wie kam es dazu?

Susanne Schröter: Ich habe mich bereits vor vielen Jahren, zunächst unmerklich, in Opposition zu einem heute woken Mainstream gebracht, der damals schon in den Anlagen bestand. Ich befasste mich mit Veränderungen in der islamischen Welt, lebte auch lange Zeit in Indonesien und habe da gesehen, wie der moderate Islam immer mehr von Fundamentalisten aufgerollt wird. Ich beobachtete die Entstehung eines Islam, der sehr rigide und undemokratisch war, die Rechte von Frauen missachtend und mit erheblichem Gewaltpotenzial. Darüber habe ich als Wissenschaftlerin geschrieben. Das machten zwar auch Kollegen, doch haben sie den Extremismus mehrheitlich als eine neue hippe Form der Kultur oder als besondere Art der Frömmigkeit verharmlost. Und da bin ich nicht mitgegangen.

Als sich 2013 und 2014 viele junge Menschen dem Islamischen Staat (IS) anschlossen, habe ich mich mit ihren Glaubensvorstellungen befasst und diese entsprechend als menschenverachtend analysiert, während in der Wissenschaft ein allgemeiner Trend entstand, islamischen Extremismus nicht als Folge einer Ideologie, sondern als Folge von Diskriminierung und schlimmer persönlicher Umstände zu betrachten. Das war schon deshalb nicht einleuchtend für mich, weil die Mehrheit der IS-Anhänger aus muslimischen Ländern kam.

factum: Da spielt ja auch mit hinein, dass generell das Fremde oft in Schutz genommen, der «weisse westliche Mann» in linken Kreisen dagegen herabgesetzt wird. Kann man das historisch erklären?

Schröter: Man kann das nur vor dem Hintergrund der sogenannten postkolonialen Theorie verstehen, die in den Geisteswissenschaften sehr populär ist. Ihre Anhänger teilen die Welt in Täter und Opfer. Seit dem Beginn des europäischen Kolonialismus, der als Sündenfall in der Geschichte der Menschheit betrachtet wird, sei der weisse Westen Täter, während der Rest der Welt aus Opfergruppen bestehe. Eine Vorlage für dieses Denken lieferte der Literaturwissenschaftler Edward Said in seinem 1978 erschienenen Buch «Orientalism», in dem er behauptet, der Westen benötige immer ein abgewertetes Anders, um seine Dominanz legitimieren zu können. Nach aktueller postkolonialer Vorstellung wird die Opfergruppe im Westen vor allem aus Migranten aus dem sogenannten «globalen Süden» und aus Muslimen gebildet. Durch feministische Einflüsse waren ursprünglich auch Frauen in einer Opferkategorie, weshalb «der alte weisse Mann» zum ultimativen Feindbild wurde. Die Opfer des Westens, so das postkoloniale Selbstverständnis, müssten vor der angeblich rassistischen Mehrheitsgesellschaft geschützt werden.

factum: Die Folge ist, dass Missstände im Islam oder auch Straftaten bei uns häufig weniger streng kritisiert oder geahndet werden.

Schröter: Genau, die vermeintlichen Opfer müssen vor jedweder Kritik in Schutz genommen werden. Dass sie Täter sein können, muss ausgeblendet oder zumindest entschuldigt und relativiert werden. Wer auf patriarchalische Unterdrückungsverhältnisse in migrantischen Communitys hinweist, wird als islamfeindlich oder rassistisch denunziert. Es gab nur wenige Kollegen, die sich wissenschaftlich mit kulturell tradierten Diskriminierungen von Frauen oder mit Gewalt im Namen der Ehe befasst haben. Sie wurden gemobbt und als Rassisten beleidigt, selbst wenn sie selber Migranten waren, wie die Soziologin Necla Kelek, die über Zwangsverheiratung türkischer Frauen arbeitete. Das wurde ihr von etablierten Migrationsforschern übelgenommen. Sie haben sie regelrecht aus dem wissenschaftlichen Betrieb rausgemobbt. Mittlerweile werden diese Missstände kaum noch thematisiert. Wenn man sie anspricht, heisst es: Das nützt dem Täter, dem weissen Westen. Und heute: den Rechten.

factum: In Ihrem Buch «Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht» beschreiben Sie, wie die Linken in zahlreichen Bereichen der Gesellschaft die Deutungshoheit erobert haben. Was ist eigentlich Wokeness?

Schröter: Der Begriff geht bis in die 30er-Jahre zurück und ist eine Selbstbezeichnung von Linken, die in den USA gegen Rassismus kämpften. Woke – wach – im Sinne von aufmerksam gegenüber Rassismus. Das war damals völlig berechtigt, aber dieser Begriff bedeutet heute etwas vollkommen anderes als damals. Woke Linke sprechen von einem Rassismus ohne Rassen, der buchstäblich alles umfassen kann, und die Anzahl der Opfergruppen hat sich multipliziert. Es geht nicht mehr um eine rechtliche Gleichberechtigung aller Menschen – diese ist ja längst Realität –, sondern um die Vorstellung, dass weisse Menschen grundsätzlich Rassisten seien und nichtweisse niemals. Martin Luther King träumte von einer Welt, in der Hautfarben keine Rolle mehr spielen, doch woke Linke unterscheiden wieder nach Hautfarbe. Weiss zu sein gilt als Makel. Es geht so weit, dass wir von einem umgekehrten Rassismus gegenüber Weissen reden müssen.

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