Ich kenne keinen, für den «Angst» ein Fremdwort ist. Doch woran denken wir, wenn dieses Stichwort fällt? Viele nennen dieses Gefühl pauschal Angst oder Furcht. Andere unterscheiden zwischen beidem und sprechen von Angst, wenn eine Bedrohung nicht greifbar ist – und von Furcht, wenn es um konkrete Gefahren geht. Andererseits sagen wir sehr konkret, dass wir «Angst haben vor ...». Eine Unterscheidung hilft also nicht, weil sie sich im alltäglichen Sprachgebrauch nicht durchhalten lässt. Nein, beide Begriffe kann man nicht klar voneinander abgrenzen. Deshalb verwende ich sie hier als Austauschbegriffe. Doch weil Angst nicht gleich Angst ist, muss gefragt werden, welche im konkreten Fall gemeint ist. Der Begriff hat nämlich viele Facetten.
Angst ist keineswegs nur negativ. Sogar Vertreter der angstfreien Kindererziehung können das nicht leugnen. Aus Fürsorge warnen auch sie ihre Kinder davor, auf die heisse Herdplatte zu fassen, mit Streichhölzern zu kokeln und blindlings über die Strasse zu stürmen – alles aus Angst, ihre Kinder könnten sich verletzen, einen Brand legen oder verunglücken.
Bei Aufgaben, vor denen wir uns am liebsten drücken, hilft die Lebensweisheit: «Die Angst schickt Panikblitze aus; nur eines macht dich frei: Tu das, wovor du Angst hast, bald, dann ist die Angst vorbei.» Oder denken wir an folgende Warnung des Facharztes: «Wenn Sie ihre Lebensgewohnheiten nicht ändern, verlieren Sie ihre Gesundheit unwiederbringlich.» Dann kann Angst vor Schaden schützen und heilsam sein. Ich kann also nur jeden zu einer solchen seelischen Alarmanlage beglückwünschen. Ängste können wie Rauchmelder sein, die uns vor einem Totalschaden bewahren.
Allgegenwärtig
Und doch: In unserer Gesellschaft wird Angst oft negativ wahrgenommen. Ängste gehen wie Gespenster um und lassen sich nicht durch blosses Zupacken bändigen. Manche ergeben sich aus realen Bedrohungen, die wir nicht beeinflussen können. Andere sind bewusst und böswillig geschürt, um Menschen für politische Ziele von Regierenden gefügig zu machen. Denn wer Angst hat, lässt sich leichter lenken. Das hat schon immer funktioniert. Welch grosser Faktor die Angst für die allgemeine Befindlichkeit ist, geht aus Umfragen hervor. Auskunft über die Stimmungslage gibt der Angstindex, der den Durchschnitt aller abgefragten Sorgen wiedergibt. So hatten fast 30 Prozent der Deutschen Angst vor dem Jahr 20221 und die Mehrheit vor einer Islamisierung ihres Landes.2 Die Panikmache über eine angeblich menschengemachte Klimakatastrophe tut ein Übriges. Aktuell hinzugekommen ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Angst vor einem neuen Weltkrieg. Die steigende Inflation und eine drohende Wirtschaftskrise heizen zudem die Angst ums Geld an.
Wer kennt darüber hinaus nicht die Versagensängste in der Kindererziehung, in der Partnerschaft oder bei Überforderung im Beruf? Und wenn erst ernste Krankheit an die Lebenstür klopft, kommen auch noch Todesangst und Verlustängste dazu. Gläubige Menschen kennen auch die Angst, Jesus zu verlieren.
Ängste lähmen uns am Tag und rauben uns nachts den Schlaf. Der Körper meldet sich mit Symptomen. Im Ergebnis einer gross angelegten Studie der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC wird festgestellt: Angst schädigt das Immunsystem so sehr, dass sie eine der stärksten Faktoren dafür ist, dass Menschen sterben, die zum Beispiel an Corona erkrankt sind.3 Schon der englische Prediger Charles Huddon Spurgeon (1834–1892) stellte diesen Zusammenhang fest: «Der Glaube macht das Herz froh und bewahrt dadurch vor Furcht, die in Seuchenzeiten mehr Menschen umbringt als die Epidemie selbst.» Und in Sprüche 10,24 finden wir: «Was der Frevler fürchtet, das wird ihm begegnen; und was die Gerechten begehren, wird ihnen gegeben.»
1 https://www.die-tagespost.de/politik/fast-3-von-10-deutschen-haben-angst-vor-2022-art-224194
2 https://www.idea.de/spektrum/57-prozent-der-deutschen-haben-angst-vor-einer-islamisierung
3 https://www.cdc.gov/pcd/issues/2021/21 _ 0123.html
Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 04/2022