Israels Schulen haben Darwin ausgemustert, aus pragmatischem Grund: «Es gibt Wichtigeres!» Die erfolgreichsten Wissenschaften sind die, welche implizit von Schöpfung ausgehen.
Thomas Lachenmaier
27. November 2018

Die Israelis sind ein Volk, dem abgehobene, weltfremde Theorien nicht besonders liegen. Für Ideologien sind sie nicht sehr anfällig. Das hat sicher mit den existentiellen Herausforderungen und der latenten Kriegsgefahr zu tun. Die täglichen Probleme und Herausforderungen sind viel zu drängend. Sie packen die Aufgaben an, die vor ihnen liegen. Sie versuchen Lösungen zu finden und sich nicht mit Nebensächlichkeiten zu verzetteln. Wer echte Probleme hat, macht sich keine Sorgen mehr um eingebildete Probleme. Im Krieg lösen sich alle Neurosen in der Luft auf, sagt man. Warum sollte jemand an einer Spinnenphobie leiden, wenn er es mit realen Gefahren zu tun hat? So können echte Herausforderungen dazu führen, dass man unterm Strich nicht nur vernünftiger ist, sondern auch noch besserer Laune als jemand, dem es «zu gut geht». Und in der Tat: Die Israelis zählen zu den glücklichsten Menschen der Welt.

Vielleicht muss man die Entscheidung der israelischen Bildungspolitiker, Darwins Evolutionstheorie nicht länger an Kindergärten und Schulen zu lehren, in diesem Zusammenhang sehen. Die Lehrer sind vom Bildungsministerium angewiesen, «so wenig wie möglich» über Evolution zu unterrichten. Bereits seit vier Jahren ist Darwins  Abstammungslehre kein Thema mehr, mit dem Schüler behelligt werden. Wer sich sonderlich dafür interessiert, kann in der Oberstufe Darwin als Wahlfach belegen.

Es ist nicht so, dass die Bildungsverantwortlichen Israels die Evolutionstheorie gänzlich infrage stellen und allesamt schöpfungsgläubig geworden wären (obwohl der Anteil derjenigen, die davon ausgehen, dass die Welt von Gott geschaffen wurde, in Israel höher ist als in zentraleuropäischen Ländern). Es hängt mehr mit der eingangs geschilderten allgemeinen Grundeinstellung zusammen; damit, dass es die Lebenswirklichkeit in Israel erfordert, die Herausforderungen zu priorisieren: das Wichtige zuerst. In diesem Sinne sind die Hebräer ein herrlich pragmatisches Volk. Die offizielle Begründung auf dem Bildungsministerium lautet denn auch: «Es gibt Wichtigeres!»

Zu dem Wichtigeren, was an Israels Schulen gelehrt wird, gehören nicht eine Theorie, die stimmen mag oder auch nicht, sondern die Fakten und Gesetze der Biologie und Genetik.  Die Genetik ist eine Zukunftswissenschaft und zudem der Wissenschaftszweig, dessen bahnbrechende Erkenntnisse der These von der Zufälligkeit in der Natur und ihrer nicht zielgerichteten Genese Hohn sprechen. Das Genom ist ein systemischer Plan von unauslotbarer Intelligenz und kosmischer Dimension.

Wer sich als Wissenschaftler, oder auch als Unternehmer, mit Darwins Theorien und darüber hinaus mit der Evolutionstheorie befasst, der stellt schnell fest, dass dies eigentlich «nichts bringt». Einen Anwendungsnutzen der Annahme, das Universum sei mit einem Schlag «aus dem Nichts» entstanden (was auch manch gestandener Naturalist als «intellektuelle Zumutung» empfindet), existiert nicht. Auch ist der Anwendungsnutzen der These, der Mensch habe sich aus einem Vorfahren entwickelt, den er mit den Affen gemeinsam hat, gleich null (übrigens, man hat es längst aufgegeben, nach den «missing links» zu suchen). Die These, das Leben sei aus den Zutaten Zeit und Zufall «von selbst» entstanden, taugt zu gar nichts, zu keiner Anwendung. Das ist ein bemerkenswerter, bedeutungsschwerer und die Erkenntnis befördernder Fakt.

Denn, ist es nicht so?: Jede Information, jede Tatsache, die tatsächlich richtig und wahr ist, hat auch praktischen Nutzen. Eine zutreffende Information kann man anwenden. Alles, was stimmt, lässt sich anwenden. Eine Information, die wahr ist, hilft: Sie hilft zum Verständnis. Vielleicht hilft sie beim Kochen, weil die Information ein Kochrezept ist. Vielleicht hilft sie zum Bau eines Ikea-Regals, weil es eine Anleitung ist. Vielleicht hilft sie beim Gartenbau, bei der Herstellung von Werkzeug, beim Autofahren, beim Hausbau, beim Marmelademachen, bei der Entwicklung einer Hochleistungsfaser oder bei der Lebensführung. Gutes Wissen hilft zu einem guten Leben. Falsches oder unnötiges Wissen ist eine Bremse und Ballast.

Die Bildungsverantwortlichen in Israel halten die Evolutionstheorie, so viel kann man sagen, für Wissen, das keinen praktischen Nutzen hat. Sie haben den Ballast über Bord geworfen. Wenn es anders wäre und diese These von Nutzen, würden die Israelis sie praktisch anwenden: in der Wissenschaft, bei der Entwicklung von Produkten, Innovationen, Medikamenten.

Aber der Gedanke, dass irgendetwas aus nichts und von selber entsteht, ist ein toter Gedanke, aus dem man nichts entwickeln kann. Man stelle sich einen Pharmakologen vor, der ein Medikament gegen Krebs entwickeln will, oder einen Automobil-Designer, der glaubt (und danach handelt), die besten Sachen entstünden «von selber und durch zufällige, nicht zielgerichtete Mutationen». Ein solcher Wissenschaftler, Konstrukteur oder Designer wäre zum Scheitern verdammt, zum hundertprozentigen Misserfolg und stünde schnell auf der Strasse. Die Firma und das Ingenieurbüro, die tatsächlich diesem Denken folgten, würden keine Woche überleben. In der ganz praktischen Arbeit weiss jeder Wissenschaftler, jeder Forscher, jeder Unternehmer: von nichts kommt nichts. Wenn er es nicht weiss, ist er nicht länger Wissenschaftler, Forscher oder Unternehmer.

Die erfolgreichsten Wissenschaften sind die, welche implizit von Schöpfung ausgehen – auch wenn ihre Akteure (sich) dies nicht offen eingestehen wollen. Sie handeln aber danach, denn: Mit korrekten Informationen kann man etwas anstellen. Jedes richtige Wissen trägt den Keim einer Anwendung und – bei kreativem Umgang damit – einer Innovation in sich. Deshalb ist auch die am schnellsten wachsende Wissenschaft die Bionik (oder Biomimicry, wie sie in manchen Ländern genannt wird), welche natürliche Prozesse und Materialien nachahmt. Der Genetiker Dr. André Eggen berichtete auf der Regionaltagung der «Studiengemeinschaft Wort und Wissen» im schweizerischen Beatenberg davon, wie sich die Japaner beim Bau ihres Hochgeschwindigkeitszuges vom Eisvogel inspirieren lies-sen. Geräuschlos und wie ein Geschoss stürzt sich dieser im Sturzflug ins Wasser – ohne einen Spritzer zu verursachen. Wenn ein Zug in einen Tunnel einfährt, entstehen dröhnende, gefährliche und zerstörerische Vibrationen. Bei Zügen, die nach dem Vorbild des Eisvogels designt sind, ist das nicht mehr so.  

An etlichen Universitäten zerbrechen sich Materialwissenschaftler den Kopf darüber, wie sie ein Material herstellen können, welches an die Leistungsfähigkeit von Spinnenseide herankommt. Spinnenseide ist belastbarer als Stahl, um das Fünffache dehnbar, wasserabweisend, schimmelt nicht und wiegt fast nichts: 320 Gramm Spinnenseide würden ausreichen, um ein Band um die Erde zu spannen. Noch dazu ist das Ganze biologisch abbaubar und die Spinne braucht fast nichts, um das herzustellen, berichtete Dr. Eggen: «Wasser und tote Fliegen genügen!»

Wissenschaftler durchforsten systematisch die natürliche Umwelt auf der Suche nach effizienten Methoden, belastbaren Materialien und genialen Lösungen. Das Interesse an Biomimicry ist in den vergangenen zehn Jahren explosionsartig angestiegen, vermeldet das Biomimicry Institute (USA). Man erkennt: In der Natur ist alles von genialer Be(Ge-)schaffenheit. «Biomimicry ist wie ein Leuchtfeuer, das uns dorthin führt, wo wir in allen Bereichen des menschlichen Lebens hingehen müssen, von der Stadt bis zum Verkehr, von Materialien bis zur Politik, von Software bis zur Hardware», schwärmt der Umweltschützer und Unternehmer Paul Hawken.

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