Weil das Konzept der 15-Minuten-Stadt für Menschen im ländlichen Raum oft nicht umsetzbar ist, haben zwei Wissenschaftler die Idee des «30-Minuten-Landes» entwickelt und für das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) berechnet. Noch sind es Spielereien, doch Corona hat gezeigt, dass der Weg vom Plan zur Umsetzung kurz sein kann.
Raphael Berger
15. Juni 2023

So sprechen die Wissenschaftler von «Mobilitätswende», der «Erreichung von Klimaschutzzielen» und argumentieren mit «sozialer und territorialer Gerechtigkeit». Doch führt das zu einer Überwachung und einer radikalen Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Bevölkerung (s. a. Beitrag «Alle Macht der WHO», S. 10). Ziel der 15-Minuten-Stadt ist es, alles Lebensnotwendige wie Geschäfte, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Erholungsflächen und Restaurants zu Fuss oder mit dem Fahrrad in maximal 15 Minuten erreichen zu können. Was grün etikettiert als Klimarettung verkauft wird, ist in Tat und Wahrheit eine Art modernes Ghetto. Das Konzept hat vor allem dank der Lockdown-Politik Auftrieb erhalten, zahlreiche Städte arbeiten gezielt an der Umsetzung (s. a. Die Schaffung eines globalen Ghettos, factum 02/23, S. 10).

Prof. Dr. Stefan Siedentop und Christian Gerten vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH (mit dem Land NRW als Gesellschafter) haben nun für NRW ermittelt, dass die 15-Minuten-Stadt nur für einen Drittel der Bevölkerung gelebte Realität sein kann. Deshalb stellten sie in einem Beitrag1 den Anspruch an ein «30-Minuten-Land», wo alle relevanten Versorgungsangebote (Schule, Einzelhandel, Lebensmittel und Apotheke) mit einer Reisezeit von nicht mehr als 30 Minuten mit dem öffentlichen Personenverkehr erreichbar sind. Die Datenanalyse zeigte, dass dies für etwa 88 Prozent der Bevölkerung in NRW zutrifft. «Der ÖPNV», so die beiden, «ist definitiv besser als sein Ruf», auch wenn die Taktfrequenzen oft zu wünschen übrig liessen. Dennoch seien rund 12 Prozent der Menschen auf die Nutzung eines Pkw angewiesen. Eine «strukturelle Autoabhängigkeit» zeige sich insbesondere in ländlichen Gebieten abseits der Mittel- und Kleinstädte. In den Kreisen Euskirchen und Lope seien etwa 40 Prozent der Bevölkerung als «hochgradig autoabhängig» anzusehen. Nicht auszuschliessen, dass dies bereits in wenigen Jahren als noch schlimmer als alkohol- oder drogenabhängig eingestuft werden wird.

1    https://doi.org/10.58122/vpzz-1g58

Meldung aus factum 04/2023