Nach einem erfolgreichen Start an Bord einer Ariane-Rakete und einem glimpflich abgelaufenen Einschlag eines Mikrometeoriten wurden im Juli die ersten Aufnahmen des James-Webb-Teleskops (JWST) veröffentlicht.
Dr. Peter Trüb
17. Oktober 2022

Nicht nur auf Grund der Kosten in Milliardenhöhe waren die Erwartungen an den Nachfolger des Hubble-Teleskops riesig. Dank des viel grösseren Spiegels und der Möglichkeit, im Infrarot-Bereich Beobachtungen zu machen, erhoffen sich die Astronomen, viel mehr über die Entstehung von Galaxien, Sternen, Planeten und Schwarzen Löchern zu erfahren. Mit Spannung erwarteten deshalb sowohl Laien als auch Experten die für Mitte Juli angekündigte Veröffentlichung der ersten Bilder. Und ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht.

Die ersten fünf Messungen widmeten sich unterschiedlichen Themen: den Eigenschaften extrem weit entfernter Galaxien, den Atmosphären ferner Planeten, kalten Molekülwolken, den Überresten einer Sternexplosion und miteinander kollidierenden Galaxien. Die Aufnahmen dieser astronomischen Objekte besitzen trotz der riesigen Entfernungen eine Schärfe und Detail­treue, wie sie bisher unerreicht war. Sie zeigen uns ein dynamisches Universum, dessen Aussehen sich im Laufe der Zeit verändert. Auch wenn die Aufnahmen im Infrarotbereich gemacht wurden und ihre Farben deshalb für das menschliche Auge angepasst werden mussten, zeugen sie von einer wunderschönen Schöpfung und einem kunstfertigen Schöpfer.

Vor allem die Aufnahmen extrem weit entfernter Galaxien werden wie in der Kosmologie üblich im Rahmen des Urknallmodells gedeutet. Vorläufige Auswertungen der Daten stellen aber gerade dieses Modell in Frage. Vor allem die Präsenz sehr weit entfernter massiver Galaxien ist problematisch. Durch ihre grosse Distanz sehen wir diese nach dem Urknallmodell in einem sehr jungen Zustand und es ist unklar, wie sie so rasch wachsen konnten. Allerdings ist die Inkonsistenz noch nicht sehr aussagekräftig und bedarf noch weiterer Untersuchungen. Da die aktuellen Vorstellungen zur Entwicklung von Galaxien zudem mehrheitlich auf Computersimulationen beruhen, ist es auch schwierig, präzise festzustellen, wie schnell Galaxien maximal wachsen können. Was auch immer zukünftige Auswertungen zeigen werden, auf jeden Fall bringen die Messungen neuen Schwung in die Diskussion, wie und wann unser Universum entstanden ist.

Meldung aus factum 06/2022