Um die Freiheit der Wissenschaft ist es schlecht bestellt. Die Forschungsanstalten sind zunehmend politisiert und zum Nadelöhr der Linientreue geworden.
Bettina Hahne-Waldscheck
24. Januar 2024

Die Universität soll eine Institution sein, in der man seinen Geist entfalten, seinen Interessen folgen, frei, neugierig und ergebnisoffen forschen und sich zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickeln kann. So garantiert das Deutsche Grundgesetz im Artikel fünf «Forschungsfreiheit». In der «Bonner Erklärung» hielt die Europäische Union im Jahre 2020 fest, dass Forschende das Recht hätten, «ihre Meinung frei zu äussern, ohne dabei durch das Umfeld, in dem sie tätig sind, benachteiligt zu werden».

Doch in den letzten 20 Jahren wurde dieser Entfaltungsrahmen immer weiter eingeschränkt, die Vorgaben, was in welcher Zeit abzuarbeiten war, immer enger. Das Studium sollte schneller und effizienter werden, beschreibt Michael Meyen, Professor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), in seinem Buch «Wie ich meine Uni verlor». Seit der Studienordnung Bologna in den 90er-Jahren wurde «das Zusammenspiel von Forschung, Bildung und gesellschaftlicher Verantwortung dem ökonomischen Diktat von Messbarkeit und Effizienz geopfert». Die Freiheit der Wissenschaft sei systematisch ausgehöhlt, die Forschung politisiert worden, so der Professor: «Heute wird nicht mehr das untersucht, was ein Professor, seine Schüler und seine Studenten für wichtig halten. Die Neugier der Forscher ist korrumpiert worden von einem System, das mit Geld und Ruhm lockt, Abweichler brandmarkt und dem Nachwuchs von klein auf eintrichtert, dass sich Anpassung und Nachbeten besser bezahlt machen als jeder Trip ins Ungewisse.» Auch die Politphilosophin und Leiterin der öffentlichen Hannah-Arendt-Lectures an der Hochschule St. Gallen, Regula Stämpfli, ist überzeugt, dass an unseren Universitäten die Wirklichkeit seit Jahrzehnten wegtheoretisiert werde.

«Moral» schlägt Wahrheit

Das sind Veränderungen, die der LMU-Professor Meyen selbst spürte. Er, der noch an der sozialistischen Karl-Marx-Universität Leipzig studiert hatte, jemand mit «dunkler», ostdeutscher Vergangenheit, hatte für einen ehemaligen DDRler eine beispiellose Karriere hingelegt: mit 30 Professor, ein Jahr danach Leiter des Instituts Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, später Sprecher von drei interdisziplinären Forschungsverbünden. Doch mehr und mehr realisierte er eine Verengung in dem, was man sagen durfte. Als er im März und April 2023 zwei Ausgaben lang Herausgeber einer coronakritischen Zeitung («Demokratischer Widerstand») war, kam es zum Eklat. Der Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität erklärte ihm, er wolle nicht, dass der akademische Ruhm der Universität beschmutzt würde. Auch der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) schaltete sich ein: «An bayerischen Hochschulen ist kein Platz für extremistisches Gedankengut.» Meyen wurde von diversen Medien zerrissen, seine Kollegen schnitten ihn, «Zeit-Campus» fragt in einem Artikel: «Warum darf er immer noch lehren?»

Warum ist es von Interesse, was an den Universitäten geschieht?

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