Das Vorhaben der deutschen Bundesregierung, gesondert Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, stösst bei Verfassungsrechtlern, Familienorganisationen und Eltern auf Kritik. Die Befürchtung ist, dass das neue Gesetz zur Rechtfertigung neuer Übergriffe des Staates auf die Familie herangezogen wird.
Thomas Lachenmaier
3. April 2021

Das Gesetz ist vollkommen unnötig, sagt Otto Depenheuer, Professor für Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre und Rechtsphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Köln: Bereits jetzt «stehen Kindern alle Grundrechte des Grundgesetzes zu». Kritik an dem Vorstoss der Bundesregierung kommt auch vom «Verband Familienarbeit». Die Verfassungsänderung sei nicht nur überflüssig, sondern berge auch Gefahren und könne zur Rechtfertigung neuer Übergriffe des Staates auf die Familie herangezogen werden. Auch die «Deutsche Evangelische Allianz» wendet sich gegen die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung, da Kinder bereits jetzt «umfänglich Grundrechtsträger» sind. Das Bundesverfassungsgericht habe das mehrfach in seiner Rechtsprechung bestätigt. Bislang ist es so, dass die Erziehung der Kinder gemäss Artikel 6 des Grundgesetzes allein den Eltern obliegt. Sie entscheiden, welche Werte vermittelt werden. Der Staat kann nur eingreifen, wenn das Wohl der Kinder elementar gefährdet wird. Das Bündnis für Ehe und Familie «Demo für alle» befürchtet, dass durch die Grundgesetzänderung das bewährte, fein austarierte Verhältnis von Eltern, Kindern und Staat «zulasten der Eltern und der Kinder» ausgehebelt und das Kräfteverhältnis zugunsten des Staates verschoben wird. Die Sorge ist, dass der Staat dann bei der Erziehung ein Mitspracherecht hätte und als vorgeblicher Anwalt der Kinder von ihm willkürlich definierte «Rechte der Kinder» erzwingen könnte. Das ist aktuell durch die Corona-Situation nicht ohne Brisanz: Der Staat könnte durch ein postuliertes «Recht auf Impfschutz» eine Zwangsimpfung für Kinder durchsetzen oder durch ein «Recht auf frühkindliche Bildung» einen Zwang zum Besuch einer Kinderkrippe. Bei der rasanten Entwicklung ist auch denkbar, dass der Staat ein «Recht auf weltoffene Erziehung» proklamiert, um die Kinder mit Gender-Ideologie und Weiterem zu indoktrinieren. Die Publizistin und Buchautorin Birgit Kelle sprach sich auf ihrem Blog ebenfalls gegen Kinderrechte im Grundgesetz aus; sie dienten dazu, Eltern verfassungsgemässe Rechte wegzunehmen. Der Begriff der «Kinderrechte» tauchte erstmals 1989 in der UN-Kinderrechtskonvention auf. Seither versuchen linke Regierungen, sie in den Verfassungen zu verankern. Welches Verständnis die UN von Kinderrechten hat, mag man daran ersehen, dass die UN-Konvention Kindern das Recht auf Leben erst mit der Geburt zuspricht. Kinder haben also vor der Geburt diesem Verständnis von Kinderrechten zufolge nicht einmal das Recht zu leben.

Meldung aus factum 02/2021.