Der Mensch als Anhängsel seines Smartphones: Ständig erreichbar sein, permanent in der Anspannung einer digitalen Erwartungshaltung, ohne Unterlass in dem Gefühl zu leben, man könne etwas verpassen und müsse unverzüglich auf eingehende Botschaften reagieren.
Thomas Lachenmaier
15. Juni 2022

Der britische Journalist Johann Hari macht sich in dem Buch «Stolen Focus. Why You Can’t Pay Attention» Gedanken über dieses fatale Leben in der Abhängigkeit von einem technischen Gerät und bezeichnet es als «Aufmerksamkeitsvernichter». Er empfiehlt, sich dem Smartphone regelmässig und für längere Zeit zu entziehen, um die Selbstkontrolle zurückzugewinnen. Eine Reihe negativer Veränderungen, die er an sich durch die Handynutzung festgestellt hatte, bewogen ihn dazu, für drei Monate komplett auf das Handy zu verzichten. Im Banne seines Handys zu leben versetze Körper und Geist in einen permanenten Alarmzustand, was zu Erschöpfung, schlechtem Schlaf und dem Verlust der Aufmerksamkeitsfähigkeit führe. Es gelinge nicht mehr, sich längerer Zeit in Ruhe einer Sache zu widmen. Auch schaffe man es nicht mehr, in den angenehmen «Flow»-Zustand konzentrierten, fokussierten und entspannten Arbeitens zu gelangen. Die Lesefähigkeit werde durch Smartphone-Nutzung ruiniert. Johann Hari schreibt, er habe «sein Hirn zurückgewonnen» durch die digitale Abstinenz. Die Journalistin Eva Birninger, die das Handy nicht vor 11.30 Uhr nutzt und nicht nach 21 Uhr, berichtet, dass sie nie so produktiv sei wie in den Morgenstunden ohne Handy. Die Influencerin Madeleine Alizadeh hat das Handy nur noch zweieinhalb Stunden am Tag eingeschaltet und verzichtet an einem Tag in der Woche komplett auf die Nutzung Sozialer Medien. Sie sei «immer wieder beeindruckt von der Klarheit», die sie dadurch erhalte. Aufgrund ihres «übermässigen Konsums digitaler Medien» habe sie sich «in einem ständigen Kampf- oder Fluchtzustand» befunden. Die Silicon-Valley-Elite schicke ihre Kinder auf smartphonefreie Montessori-Schulen, berichtet Johann Hari in seinem Buch. Der Verlust an Aufmerksamkeitsfähigkeit, an Ruhe und Lesefähigkeit ist aus geistlicher Sicht von hoher Relevanz. Ein christliches Leben ist ohne die Fähigkeit, in Ruhe Gottes Wort zu lesen, sich ihm auszusetzen, kaum vorstellbar. Die Selbstkontrolle über seine Zeitnutzung und geistige Autonomie zurückzugewinnen hat deshalb grosse Bedeutung für Christen. Tage und Tageszeiten ohne Handynutzung einzuplanen, kann ein hilfreicher Weg sein.

Meldung aus factum 04/2022