Windenergieanlagen (WEA) haben starke negative Auswirkungen auf Fledermauspopulationen und weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt (Biodiversität) im ländlichen Raum. Auch Fledermausarten, die unterhalb der Baumkrone nach Nahrung suchen, und nicht direkt durch Druckschwankungen oder Rotorschlag getötet werden, sind massiv betroffen. Das zeigt eine im «Journal of Applied Ecology» veröffentlichte Studie (1). Die Fledermäuse meiden den Wald im Umkreis von Hunderten Metern um die Anlagen. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) konnten dokumentieren, dass durch Windanlagen natürliche Nahrungsketten unterbrochen werden. Das kann weitreichende Folgen für Land- und Forstwirtschaft haben, so die Forscher, «die ökologischen Nebenwirkungen für betroffene Tiergruppen wie Fledermäuse und Insekten sind massiv».
factum-Redaktion
22. August 2022

Diese in der Fachzeitschrift «Conservation Science and Practice» veröffentlichte Studie2 des Leibniz-IZW zeigt, in welchem Ausmass bisher «die herausragende funktionelle Bedeutung der Fledermäuse für unsere Lebensräume unterschätzt wurde», so die Wissenschaftler. Sie untersuchten das Beutespektrum von an Windanlagen getöteten Fledermäusen. Am Beispiel der vom Grossen Abendsegler verzehrten Insekten dokumentierten sie, in welchem Ausmass mit den getöteten Fledermäusen auch ihre funktionelle Bedeutung für ihre Lebensräume verloren geht.

Die Forscher analysierten den Mageninhalt von Fledermäusen, die an Windanlagen zu Tode kamen. Sie fanden «46 Insektenarten aus neun Ordnungen, die meisten davon Käfer und Nachtfalter». Die Insektenarten liessen sich «einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, von Ackerflächen über Grünland bis zu Wäldern und Feuchtgebieten, zuordnen». Zwanzig Prozent dieser Insektenarten werden in der Land- und Forstwirtschaft als Schädlinge oder Lästlinge angesehen, beispielsweise der Esskastanien­bohrer (Curculio elephas) oder der Eichenwickler (Cydia splendana). Der Verlust von Fledermäusen unterbricht Nahrungsketten. Es komme somit zu einer höheren Anzahl von Schädlingen und Lästlingen, was möglicherweise durch eine chemische Schädlingsbekämpfung kompensiert werde. Die «kostenlose Serviceleistung» der Schädlingsreduzierung durch Fledermäuse werde durch die WEA beeinträchtigt, «somit ist das für die Land- und Forstwirtschaft ein relevantes Thema». Der Verlust ist sehr folgenreich, so die Forscher, da die betroffenen Arten geringe Reproduktionsraten haben. Zu dem Verlust der Tiere kommt, dass «auch ihre Interaktionen in komplexen Nahrungsnetzen verloren gehen». Bereits am gegenwärtigen Bestand an Windanlagen kommen mehrere Hunderttausend Fledermäuse zu Tode. «Wenn weiterhin diese hohe Zahl an Schlagopfern an Windenergieanlagen geduldet wird, werden immer weniger Schadinsekten durch Fledermäuse verzehrt», so Dr. Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibnitz-IZW. Fledermäuse spielen als Jäger eine wichtige Rolle bei der natürlichen Regulierung von Insektenbeständen. Der Verlust von Fledermäusen und ihres Einflusses auf Nahrungsketten mache Ökosysteme anfälliger gegenüber Störungen, so die Wissenschaftler. Windanlagen sollten nicht in Wäldern betrieben werden, fordern die Wissenschaftler der Universitäten Marburg und Kiel, welche die negativen Folgen für niedrigfliegende Arten an 24 Standorten in Hessen dokumentieren konnten. Die Zahl der getöteten Vögel an Windanlagen beträgt ein Vielfaches der Zahl der getöteten Fledermäuse. Ornithologen gehen davon aus, dass Greifvögel in Deutschland ausgerottet werden.

1  Scholz C, Voigt CC (2022): Diet analysis of bats killed at wind turbines suggest large scale losses of trophic interactions. Conservation Science and Practice, 2022 e12744. DOI: 10.1111/csp2.12744
2  Ellerbrok J, Delius A, Peter F, Farwig N, Voigt CC (2022): Activity of forest specialist bats decreases towards wind turbines at forest sites. Journal of Applied Ecology. DOI: 10.1111/1365-2664.14249

Meldung aus factum 05/2022