Die EU-Umweltminister haben das seit Monaten umkämpfte Renaturierungsgesetz für weniger Pestizide und mehr natürliche Ökosysteme verabschiedet. «Bürokratie wird prosperieren, Artenvielfalt kaum» ist das Fazit von WELT-Chefreporter Wissenschaft Axel Bojanowski. Dass es auch anders gehen kann, zeigen zwei Beispiele aus der Misch- beziehungsweise Permakultur.
Raphael Berger
10. Oktober 2024

Nach dem neuen EU-Naturschutzgesetz müssen die Mitgliedsstaaten bis 2030 mindestens 30 Prozent der Lebensräume «wiederherstellen», bis 2050 sogar 90 Prozent. «Nationale Sanierungspläne» sollen garantieren, dass der dann erreichte «gute Zustand» erhalten bleibt. Die von Brüssel verordnete «Naturierung» der Landschaft lasse nichts Gutes ahnen, schreibt Bojanowski in der WELT. Sie sehe starre Vorgaben und Quoten für Kommunen wie etwa die Vergrösserung von Grünflächen vor, während gleichzeitig der «Green Deal» der EU nach ausgedehnten Maisfelderwüsten und Windkraftanlagen verlange. Konflikte zwischen Wohnen, Industrie, Landwirtschaft und Natur seien jedoch nur lokal lösbar, nicht von Brüssel aus.

Ein leuchtendes Beispiel für eine lokale Lösung präsentierte ein Team der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Journal of Pest Science. Es wies nach, dass die gemeinsame Aussaat verschiedener Arten (Mischkulturen) auf demselben Acker einige Vorteile hat. Die Pflanzen haben weniger Konkurrenz als in der Reinsaat und machen Unkräutern das Leben schwer. Das hat zur Folge, dass die Pflanzen deutlich weniger von Schädlingen befallen werden. Die Forscher bauten in einem zweijährigen Feldexperiment Bohnen und Weizen sowie Saatmohn und Gerste an. Zusätzlich legten sie an den Feldrändern schmale Blühstreifen an, auf denen Wildblumen wachsen. Diese locken nützliche Insekten an, welche sich von Schädlingen ernähren.

Einen Schritt weiter geht die Permakultur. Sie nutzt natürliche Kreisläufe und Ökosysteme als Vorbild. Forscher der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und der BOKU University haben nun erstmals umfangreich untersucht, welche Auswirkungen dieses Konzept auf die Umwelt hat. Dabei verglichen sie landwirtschaftliche Permakultur-Betriebe mit herkömmlichen Höfen. Die Studie zeigt, dass sowohl die Bodenqualität als auch die Biodiversität im Vergleich zu konventionellen Landwirtschaftsflächen deutlich erhöht war. Gleichzeitig waren die Erträge aus der Permakultur mit denen der industriellen Landwirtschaft vergleichbar. Mit «Permakultur scheint es möglich zu sein, Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz unter einen Hut zu bekommen», so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.

Meldung aus factum 05/2024