Seit ihrer ersten Beobachtung durch Galileo Galilei im Jahre 1610 haben die Ringe des Saturn viele Gelehrte und Künstler fasziniert. In seinem Buch «Licht.Welten» schreibt der Astronom Norbert Pailer beispielsweise: «Saturn – Herr der Ringe! Das eigentliche Beispiel für Schönheit, Eleganz und Grazie im Planetenraum. Man muss ihn einmal durch die Optik eines Teleskops live gesehen haben, wie er mit stoischer Ruhe auf dem samt-schwarzen Hintergrund des Nachthimmels dahinzieht. Umschwärmt von zahlreichen Monden zieht er gleitend seine Bahn ...» Auch ich kann mich gut an den Moment erinnern, als ich die Ringe des Saturn zum ersten Mal durch das Okular eines Teleskops erblickte.
Dank verschiedener Raumsonden, die den Planeten und seine Ringe in den letzten Jahrzehnten aus unmittelbarer Nähe untersucht haben, besitzen wir heute nicht nur wunderschöne Nahaufnahmen, sondern auch viel Wissen über den Aufbau und die Zusammensetzung der Ringe sowie über die in ihnen ablaufenden Prozesse. Schon bald nach der ersten Entdeckung stellte man fest, dass das Ringsystem aus mehreren Ringen besteht, die durch Lücken voneinander getrennt sind. Wie sich in Abbildung 1 gut erkennen lässt, besitzen die Ringe ganz unterschiedliche Eigenschaften. Am bekanntesten sind die inneren, sehr hellen Ringe. Diese bestehen aus Eisbrocken mit einer Grösse von einigen Zentimetern bis mehreren Metern. Im Gegensatz dazu sind die äusseren, staubig wirkenden Ringe aus kleinen Teilchen aufgebaut, die nur einige Mikrometer gross sind. Da diese Ringe sehr dunkel sind, wurden sie erst vor einigen Jahrzehnten entdeckt.
Im Verhältnis zu ihrer Breite von mehreren Tausend Kilometern sind die Ringe extrem dünn. Manchmal beträgt die Dicke nur einige Meter, an anderen Stellen wird sie auf einen Kilometer geschätzt. Überraschenderweise stellte man fest, dass die Ringe fast vollständig aus Wassereis bestehen. Der Wasseranteil der Hauptringe beträgt mehr als 99 Prozent und liegt damit viel höher als bei allen anderen bekannten Objekten des äusseren Sonnensystems. In den Lücken der Ringe befinden sich manchmal grössere Brocken, welche als Schäfermonde bezeichnet werden. Abbildung 2 zeigt den Schäfermond Pan, der sich in der sogenannten Encke-Teilung befindet.
Gar nicht so alt?
Aufgrund radiometrischer Datierungen von Meteoriten glauben die meisten Wissenschaftler, dass sich das Sonnensystem vor etwa 4,6 Milliarden Jahren aus einer Wolke von Gas und Staub gebildet hat. Da man die Ringe des Saturn für ein langlebiges Phänomen hielt, ging man bis vor vierzig Jahren davon aus, dass sie ein ähnlich hohes Alter haben. Doch neue Daten, die man in den letzten Jahrzehnten durch Raumsonden gesammelt hat, haben diese Erwartung nicht bestätigt. Einerseits hat man beobachtet, dass sich die Ringe schnell verändern, andererseits passen viele Eigenschaften nicht zu einem hohen Alter. Wären die Ringe Milliarden Jahre alt, dürften sie längst nicht mehr so hell sein, da sie laufend durch Staub verschmutzt werden. Zusätzlich hätten Kollisionen mit anderen Objekten im Planetensystem den Wasseranteil der Ringe inzwischen auf deutlich unter 99 Prozent gesenkt. Die Existenz von Schäfermonden und anderen grossen Objekten im Ringsystem spricht ebenfalls gegen ein hohes Alter. Wegen gegenseitiger Kollisionen zwischen den Ringteilchen geht man davon aus, dass diese nicht mehr als einige Millionen Jahre überdauern können.
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