Alex Stebler hat neun offizielle deutschsprachige Biologielehrmittel untersucht. Seine Analyse zeigt deutlich, dass der pädagogische Auftrag missachtet und Schüler indoktriniert werden.
Reinhard Junker
22. August 2022

Der Schulunterricht soll weltanschaulich neutral sein. In den Fächern der Naturwissenschaften sind Naturphänomene und die in der Natur ablaufenden Gesetzmässigkeiten der Lerngegenstand. Man will die Grenzen der naturwissenschaftlichen Forschungsmethode aufzeigen. Grenzüberschreitungen in den weltanschaulichen Bereich sind legitim, bedürfen aber einer deutlichen Kennzeichnung. Dabei soll klargestellt werden, dass diese nicht aus der Naturwissenschaft folgen und in unterschiedlicher Weise möglich sind, auch in Richtung Schöpfung.

Auftrag verfehlt

Man sollte meinen, dass Schulbücher diese Grundsätze beherzigen. Der Autor des Buches «Die Glaubenssätze im modernen Biologieunterricht», Alex Stebler, zeigt dagegen auf, dass dies auf aktuelle offizielle Lehrmaterialien im deutschsprachigen Raum beim Themenkomplex «Evolution» ganz und gar nicht zutrifft. Vielmehr werden notwendige Unterscheidungen zwischen Methode und Weltanschauungen, zwischen Daten und Deutungen nicht vorgenommen – sie scheinen sogar systematisch verwischt zu werden. Dies geschieht teils unterschwellig, teils offenkundig; mit dem Ergebnis der Indoktrinierung der Schüler. Da diese in der Regel wissenschaftstheoretisch nicht geschult sind, ist es ihnen kaum möglich, sich dieser einseitigen Einflussnahme auf ihr Denken zu erwehren.

Das geht so weit, dass in den Lehrmitteln «Linder Biologie» und «Evolution verstehen» zum Widerspruch gegen den Schöpfungsglauben aufgerufen wird: Man müsse im Unterricht auf stark verankerte «Präkonzepte» eingehen (gemeint ist der Glaube an die biblischen Schöpfungsberichte), sonst sei das Verstehen der Evolutionstheorie in Frage gestellt; diesen Präkonzepten sei «auf mehreren Ebenen entgegenzutreten» (97). Stebler zeigt anhand zahlreicher Schulbuchzitate, dass den Schülern ein naturalistisches Weltbild vermittelt werden soll, wonach die Natur alles und ein Schöpfer überflüssig ist.

Dabei steht dies im Gegensatz zu den Vorgaben des Schweizer Lehrplans 21, demzufolge es ein Lernziel ist, naturwissenschaftliche Erkenntnisse von nicht naturwissenschaftlichen unterscheiden zu können. Ausserdem soll gelehrt werden, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung abläuft und welchen Prinzipien sie unterliegt (12). Stebler leitet daraus zehn Grundsätze für den Biologieunterricht ab, unter anderem folgende:
• Grenzen der naturwissenschaftlichen Methode müssten thematisiert und respektiert werden.
• Die naturwissenschaftliche Methode dürfe nicht verabsolutiert werden, als handle es sich um die einzige Methode wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung.
• Betreffs Deutung in Bezug auf die Entstehung der Lebewesen dürfe es keine Festlegungen geben.
• Paradigmatische Vorgaben seien offenzulegen, Kontroversen dürften nicht verschwiegen, grundsätzliche Kritik am Evolutionsmodell nicht unterdrückt werden.
• Man müsse deutlich machen, dass wissenschaftlich begründete Aussagen vorläufig und hypothetisch seien.

An diesen Prinzipien misst Stebler neun offizielle deutschsprachige Biologielehrmittel der letzten zwanzig Jahre, die er detailliert analysiert hat.

Seine Untersuchungen zeigen deutlich, dass man diese pädagogisch-didaktischen Grundsätze im Evolutionsunterricht zum Teil «arg missachtet».

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