Der Teufel konspiriert seit Anbeginn der Weltgeschichte mit List und Tücke gegen Gott und die Menschheit. Klar benennen, um was es bei einer Verschwörungstheorie geht, ist nötiger denn je.
Bettina Hahne-Waldscheck
15. Juni 2022

Die Begriffe Verschwörungstheorie sowie Verschwörungstheoretiker haben seit 2020 Hochkonjunktur, doch während früher der Verschwörungstheoretiker ein Kritiker war, der Theorien durch Recherchen überprüfte, wird der Begriff heute als Schimpfwort gebraucht. Meist wird der Verschwörungstheoretiker zusammen mit Esoterikern in die rechte Ecke gestellt, was davon abschreckt, sich noch kritische Gedanken gegenüber Politik und Medien zu machen.

Begriffsdefinition

Im ursprünglichen Sinne ist eine Verschwörungstheorie der Versuch, einen Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken einer meist kleinen Gruppe von Akteuren zu einem oftmals illegalen oder illegitimen Zweck. Heute allerdings wird eine Verschwörungstheorie häufig mit einer Lüge gleichgesetzt. Dabei ist das, was gestern noch Verschwörungstheorie war, heute oft schon wieder allgemeine Wahrheit. So war es beispielsweise am 14. März 2020 noch eine Verschwörungstheorie, zu behaupten, die Bundesregierung plane einen Lockdown. Das Bundesgesundheitsministerium twitterte an dem Tag, man solle helfen, die Verbreitung dieser Falschmeldung zu stoppen, wie auch das ZDF meldete. Auch dass Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen besitze und der Grund des Militäreinsatzes der USA 2003 gegen den Irak erlogen war, galt lange als Verschwörungstheo­rie – bis die Wahrheit auf den Tisch kam.

Zwei Jahre lang bezeichnete man auch die Echtheit von belastenden Daten und Hinweisen auf kriminelle Machenschaften auf dem Laptop von Präsident Bidens Sohn Hunter, den dieser zur Reparatur gebracht und nicht abgeholt hatte, als Verschwörungstheorie und russische Propaganda. Doch im März und April bestätigten die «New York Times», die «Washington Times» und die Schweizer «Weltwoche» die Echtheit der Vorwürfe, am 31. Mai die «NZZ». Die «Weltwoche», welche eine Kopie der belastenden Dateien besitzt, brachte am 26. April ein Interview über den brisanten Inhalt. Gegen Hunter Biden läuft nun ein Prozess wegen Geldwäsche und Verletzung von Steuer- und ausländischen Lobbygesetzen. Die Laptop-Mails belegen auch, dass US-Präsident Joe Biden entgegen seinen Beteuerungen in die Geschäfte seines Sohnes verwickelt war. Dies könnte zu einem Impeachment-Verfahren führen.

«Radio München» veröffentlichte kürzlich einen Beitrag des englischen Journalisten Tim Foyle. Foyle meint, dass nicht die Verschwörungstheoretiker, sondern die «Verschwörungsleugner», wie er sie nennt, naiv sind, wenn sie meinen, die Mächtigen würden es immer gut mit einem meinen. Er schreibt: «Wir wissen, dass Drehtüren zwischen Unternehmen und Politik, Lobbysystem, korrupten Aufsichtsbehörden, den Medien und der Justiz dazu führen, dass Fehlverhalten nur extrem selten geahndet wird. Wir wissen, dass Regierungen wiederholt die Rechte des Volkes ignorieren oder mit Füssen treten.» Foyle weiter: «Warum sträuben sich ansonsten vollkommen intelligente, nachdenkliche und rational denkende Menschen gegen die Behauptung, Soziopathen würden sich verschwören, um sie zu manipulieren und zu täuschen? Und warum verteidigen sie diese unbegründete Position mit solcher Vehemenz? Die Geschichte kennt die Machenschaften von Lügnern, Dieben, Tyrannen und Narzissten und ihre verheerenden Auswirkungen. Auch in der heutigen Zeit gibt es zahlreiche Beweise für Korruption und aussergewöhnliche Täuschungen. Wir wissen ohne Zweifel, dass Politiker lügen und ihre Verbindungen verbergen und dass zahlreiche Unternehmen routinemässig eine völlige Verachtung für moralische Normen an den Tag legen.» Er erklärt: Weil «Verschwörungsleugner» das kindliche Vertrauen zu Eltern auf die Politik übertragen, klammerten sie sich an die Fantasie, dass oberhalb einer bestimmten Ebene der gesellschaftlichen Hierarchie Korruption, Betrug, Bösartigkeit und Narzissmus auf mysteriöse Weise verdampften – ja gar, dass je mächtiger jemand ist, er umso mehr Integrität an den Tag legen würde. Ihr Gefühl des Wohlbefindens, der Sicherheit, des Komforts, haben die «Verschwörungsleugner» vollständig in diese Fantasie investiert. Jede Andeutung von Kritikern, es könnte anders sein, empfänden sie als persönlichen Angriff.

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