Afrika ist ein Kontinent der Diktatoren geworden, heisst es in einem Bericht der Max-Planck-Gesellschaft in Göttingen. Dem Demokratie-Index der Zeitschrift «Economist» zufolge seien nur neun der gelisteten 50 Staaten wirklich demokratisch regiert, mehr als die Hälfte stehen unter autokratischer Herrschaft.
Thomas Lachenmaier
3. November 2018

Wahlen werden manipuliert, die Opposition unterdrückt, Demonstrationen gewaltsam aufgelöst. Zunehmend nutzen die Alleinherrscher auch elektronische Systeme, um ihre Macht zu sichern – und das weitgehend ungestört. Denn Europa und die USA schauen aus Angst vor ethnischen Konflikten viel zu oft weg, kritisiert Elena Gadjanova, die Politikwissenschaft an der Universität Exeter lehrt.

Afrika leide unter der westlichen «Tyrannei niedriger Erwartungen»: Aus Angst vor politischer Instabilität gibt sich der Westen mit niedrigeren demokratischen Standards zufrieden. Ausländische Wahlbeobachter sehen in Afrika oft über Unregelmässigkeiten hinweg und segnen Wahlen ab, die anderswo nicht toleriert würden, berichtet Gadjanova. Das eröffnet Amtsinhabern wiederum die Möglichkeit, Abstimmungen geschickt zu manipulieren; gleichzeitig werden dadurch Bemühungen unterlaufen, gewählte Volksvertreter zur Rechenschaft zu ziehen.

Den Niedergang in Kenia, wo einstmals gute Verhältnisse herrschten, sieht die Politikwissenschaftlerin als Sinnbild für die generelle Entwicklung in Afrika. Das Parlament steht im Dienst des Regimes, die Gerichte haben ihre Unabhängigkeit verloren. Ebenso düster ist die Entwicklung in Togo, Tansania, Burundi und Uganda. In Simbabwe, einst als «Kornkammer Afrikas» bezeichnet, herrschen Despotie und Verelendung, viele Menschen hungern. Die gewaltsame Landreform von Präsident Mugabe im Jahr 2000, bei der die weissen Farmer enteignet wurden, hat zu einem Zusammenbruch der Lebensmittelproduktion geführt. Die Rate der Unterernährung hat in Simbabwe einen der weltweit höchsten Werte, fast die Hälfte der Bevölkerung ist unterernährt. Eine vergleichbare Entwicklung droht jetzt in Südafrika, wo die Regierung beschlossen hat, weissen Farmern das Land entschädigungslos wegzunehmen. Die Familien der Farmer bewirtschaften das Land in der Regel seit mehr als hundert Jahren, zum Teil schon seit dem 17. Jahrhundert. Auch hier führt diese Politik zunehmend zu Gewalt. In westlichen Medien findet die gegen Weisse gerichtete rassistische Politik in Südafrika wenig Beachtung.

Eine negative Rolle bei der Entwicklung spielen Gadjanova zufolge westliche «Wahlkampfberater», die für die Autokraten modernste Datenanalyseverfahren wie das «micro targeting» anwenden. Durch das digitale Kategorisieren von Persönlichkeiten und die Ansprache mit individuell zugeschnittenen Botschaften im Internet können Wahlen beeinflusst werden. Gadjanova berichtet, dass das Unternehmen «Cambridge Analytica» im Auftrag der Regierung Kenias gezielt Gerüchte und Falschinformationen streute und die Konflikte zwischen ethnischen Gruppen schürte.

Als grösste Gefahr für die Demokratie sieht Gadjanova, dass sich Autokraten die Fassade von Wahlen aufrechterhalten, die Institutionen der Demokratie wie unabhängige Gerichte, Wahlkommissionen, freie Medien aber zunehmend ausschalten.

Eine positive Entwicklung ist in Ghana zu beobachten, wo 2016 die sechsten freien Wahlen in Folge stattfanden. Die Wahlverlierer akzeptierten jeweils den Wählerentscheid. Einer Umfrage zufolge sind Ghanesen stolz auf ihre demokratische Kultur. Eine widerstandsfähige Demokratie erfordert Gadjanova zufolge ein klares Bekenntnis zu ihren Werten, ihren Prozessen und Institutionen.

Artikel aus factum 08/2018.