Das baden-württembergische Finanzministerium hat eine digitale Meldestelle eingerichtet, über die Denunzianten anonym vermeintliche Steuersünder melden können.
Thomas Lachenmaier
16. Dezember 2021

«Mit dem anonymen Hinweisgebersystem können Sie den baden-württembergischen Finanzämtern diskret, sicher und anonym Anzeigen von Steuerstraftaten oder sonstigen Verfehlungen gegen Steuergesetze melden», heisst es auf der Internetseite des Ministeriums. Und weiter: «Zudem besteht für Sie die Möglichkeit, über ein Postfach auch nach der Abgabe der Anzeige mit der zuständigen Steuerfahndungsstelle anonym zu kommunizieren.» Durch dieses Meldesystem könnten «Bürgerinnen und Bürger künftig auch digital, sicher und trotzdem anonym und diskret mit der Steuerverwaltung kommunizieren». Der Zugriff auf personenbezogene Daten der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers sei «ausgeschlossen». Dies schaffe «zusätzliches Vertrauen».

Der Appell an niederste Instinkte in der Bevölkerung ist nicht ohne historisches Vorläufertum. Wer das für Steuervergehen für angemessen erachtet, kann es auch bald auf weitere Verstösse gegen Gesetze oder «Massnahmen» ausweiten. Die Niedertracht liebt den Schutz des Dunkels, die Anonymität. Der Denunziant, von dem ein hartes Wort sagt, er sei «das grösste Schwein im ganzen Land», traut sich nicht, sein Gesicht zu zeigen. Warum? Weil er selber weiss, dass Feigheit keine Tugend ist, dass er sich für sein Tun schämen sollte: Er kann nicht für sein Handeln mit seinem Gesicht und seinem Namen einstehen.
Anonym zu kommunizieren ist das Paradebeispiel für Misstrauen. Im Zusammenhang mit der Kommunikation mit anonymen Denunzianten von «Vertrauen» zu reden, wie das auf der Denunziantenplattform des Ministeriums getan wird, zeigt, dass Begriffe auf den Kopf gestellt werden. Schon der Prophet Jesaja warnt vor denen, die Böses gut und Gutes böse nennen. «Weh denen», ruft er.

Das Handeln der Politiker, die solches beschliessen und zum Denunzieren animieren, ist Ausdruck des Verächtlichen, mit dem diese politische Klasse den Souverän betrachtet. Sie hält ihn entweder für einen Betrüger oder für korrumpierbare Verfügungsmasse, die man sich zu Diensten machen kann. Das ist ein anderer Geist als der, der in einem Rechtsstaat wehen sollte.

Kommentar aus factum 01/2022