Durch Bekehrung wird ein Mensch «heilig», aber im Leben eines Christen ist Heiligung auch ein Prozess. Das Hören von Gottes Wort hilft, in diese Wirklichkeit hineinzuwachsen.
Bettina Hahne-Waldscheck
23. Februar 2019

«Wie wenig wissen doch diejenigen, die meinen, Heiligkeit sei langweilig. Wenn man erst einmal merkt, wie sie wirklich ist ... dann lässt sie einen nicht mehr los.» C. S. Lewis

Einen Text über Heiligung zu verfassen, gehört sicher nicht zu den Lieblingsaufgaben christlicher Redakteure. Ursache ist wahrscheinlich, dass man meint, selbst viel zu unheilig zu sein, um sich diesem Thema widmen zu können; weiterhin schwingen bei dem Wort «Heiligung» sofort Konnotationen mit wie: unerreichbare Ziele, Regeln und Gesetze, Fasten, Busse, ständige Sündenbekenntnisse. Man denkt an gros-se Heilige wie Paulus oder Johannes den Täufer und möchte seufzend den Griffel fallenlassen. Es erstaunt deshalb nicht, dass sich keine Bestseller oder beliebte Musikhits zu diesem Thema finden. Doch durchforstet man mal die Bibel nach Heiligung, wird deutlich, dass jeder Christ kraft seiner Bekehrung heilig ist – es betrifft also alle – auch diejenigen, die meinen, nur «Durchschnitts-christ» zu sein. Und tatsächlich ist es so, wie C. S. Lewis oben sagt: Wenn man sich erst einmal mit Heiligkeit beschäftigt, lässt sie einen nicht mehr los und ist alles andere als langweilig.

Hier eine Auswahl der zahlreichen Bibelstellen dazu:

  • «Aufgrund dieses Willens sind wir geheiligt durch die Opferung des Leibes Jesu Christi, [und zwar] ein für alle Mal» (Hebr. 10,10).
  • «An die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, an die Geheiligten in Christus Jesus, an die berufenen Heiligen, samt allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, sowohl bei ihnen als auch bei uns» (1. Kor. 1,2).
  • «Denn mit einem einzigen Opfer hat er die für immer vollendet, welche geheiligt werden» (Hebr. 10,14).
  • «Und nun, Brüder, übergebe ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, das die Kraft hat, euch aufzuerbauen und ein Erbteil zu geben unter allen Geheiligten» (Apg. 20,32).
  • «Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, in denen ihr früher in eurer Unwissenheit lebtet; sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel» (1. Petr. 1,14–15).

Von den Gläubigen wird also gesagt, dass sie Geheiligte vor Gott sind – und dass sie berufen sind zu einem geheiligten Lebenswandel. Sie sind eine Gruppe von Personen, die für Gott zum priesterlichen Dienst bestimmt sind (Apg. 20,32; 26,18; Röm. 1,7).

Ein Geschenk und ein Auftrag

Sie sind durch das Opfer Jesu Christi vollkommen gemacht. Das ist einerseits ein Geschenk, andererseits geht damit auch der Auftrag einher, sich dieses Geschenks würdig zu erweisen. So sind die Gläubigen auch aufgefordert, ihre Glieder «in den Dienst der Gerechtigkeit zur Heiligung» darzustellen (Röm. 6,19). Christen sind also berufen, in dieser Welt nach Heiligung zu streben und in die Gerechtigkeit Christi hineinzuwachsen, zu der er sie erlöst hat.

Doch zunächst zur Begriffsdefinition. Was heisst Heiligung überhaupt? Das Wort «heilig» bedeutet im ursprünglichen Wortstamm «abgesondert sein». Man gehört nicht zu dieser Welt, sondern ist zu Gott zugehörig. Das Volk Israel war von Anbeginn an abgesondert, was für alle Aussenstehenden sichtbar war, war es doch den Israeliten verboten, sich mit anderen Völkern zu vermischen. Als gläubige Christen sind wir eingepflanzt in den Ölbaum Israels und gehören damit ebenso zu den «Abgesonderten» Israels, was eine Auszeichnung ist. Als Gläubige sind wir «Herausgerufene».

In Bezug auf die Lebenspraxis wird Heiligkeit weiterhin in der Bibel als Wesensart beschrieben, die sich an Reinheit erfreut und das Böse zurückweist. Heilig sind diejenigen, bei denen die Früchte des Heiligen Geistes sichtbar sind, wie Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit (Gal. 5,22).

Es ist ein «Heranwachsen»

Bei dieser Heiligung in der Lebensführung gibt es ein stetiges Fortschreiten, die Bibel spricht von einem «Heranwachsen», denn kein Christ entspricht von heute auf morgen dem Ideal des Heiligen. In Epheser 2,19–21 heisst es dazu: «So seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge ohne Bürgerrecht und Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, auferbaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, während Jesus Christus selbst der Eckstein ist, in dem der ganze Bau, zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn.» Und auch Epheser 4,15–16 betont das Wachsen: «Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus. Von ihm aus gestaltet der ganze Leib sein Wachstum, sodass er sich selbst aufbaut in der Liebe.»

Hier ist das letzte Wort – Liebe – sicher ein Schlüsselwort für die Heiligung. Ohne Liebe geht es nicht. Ohne Liebe geraten die Gläubigen nur in den Kreislauf der Strichlisten-Gesetzlichkeit, bei der sie aus eigener Anstrengung versuchen, Heiligung anzustreben – und sich dabei nur umso bitterer ihres Versagens bewusst werden. In seinem Sendschreiben findet Johannes an die Gemeinde in Ephesus deutliche Worte, wiewohl er die (guten) «Werke», die «Mühsal» und die «Geduld» der Gemeinde, die «das Böse nicht ertragen kann», sieht: «Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast.»

Wer sich nicht von Gottes Liebe durchdringen lässt, sich für diese Liebe öffnet, sodass diese Liebe wie von selbst aus ihm heraussprudelt, wird kein Fortschreiten in der Heiligung erfahren. «Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze», heisst es 1. Korinther 13, Vers 3. Wer Gottes Liebe und Heiligkeit annähernd erfasst, wird so erfüllt davon, dass er von alleine diese Heiligkeit widerspiegeln möchte. Es ist wohl vergleichbar mit einem Mann, der in eine Frau verliebt ist. Der Mann muss sich nicht besonders anstrengen, um dieser Frau gefallen zu wollen. Es sprudelt ganz von alleine aus ihm heraus, er muss sich auch nicht ständig zusammenreissen, um sich gut zu benehmen. Es macht ihm Freude, sich ganz von alleine vor der Geliebten von seiner besten Seite zu zeigen, ja, er möchte besser werden, um ihr mehr zu entsprechen. Wenn der Heilige Geist das Herz erfüllt und man seiner Gegenwart Raum gibt, dann lebt man ganz von alleine wachsend in Heiligkeit.

Das Hören des Wortes ist wichtig

Doch wie kann die Liebe zu Gott wachsen, wenn sie nur lau oder eingeschlafen ist – und man deshalb von Heiligung weit entfernt ist? Die Liebe zu Gott und das Erfülltsein mit seiner Liebe wächst durch das Hören des Wortes. Je mehr man sich mit Gott und seinem Wort beschäftigt, desto mehr erfüllen die Anliegen Gottes das Herz und desto mehr wächst die Sehnsucht, in diese Wirklichkeit hineinzuwachsen. Deshalb wird es mit dem Voranschreiten in der Heiligung nicht von alleine klappen, einfach dadurch, dass man seit vielen Jahren Christ ist.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 01/2019.