Seit einem Jahr herrscht in der Ukraine Krieg. Ein Krieg, den so die wenigsten erwartet hatten.
Raphael Berger
14. Februar 2023

Kaum einer rechnete damit, dass Russland in der Ukraine einmarschieren würde. Nachdem das Realität geworden ist, wird Putin als eine Art Hitler 2.0 hochstilisiert, der, besessen von seinen Grossmachtsfantasien, in der Ukraine nur den ersten logischen Schritt zurück zum glorreichen Zarenreich längst vergangener Tage sieht. Verhandlungen? Aussichtslos!? Russland soll wirtschaftlich «ruiniert» und die Ukraine mit westlichen Waffen unterstützt werden, denn, so sagte es Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock, «wir kämpfen einen Krieg gegen Russland» – sie distanzierte sich wenig später von dieser Aussage.

«Frieden schaffen ohne Waffen» ist längst «überwunden», jetzt heisst die Devise: «Wer morgen Frieden will, der muss heute die Ukraine unterstützen», so Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär. Ungeachtet der immensen Waffenlieferungen und der «Militärberater» im Land behauptet er in vollem Ernst, «keine Kriegspartei» zu sein. In Russland sieht man das anders. Die Reaktionen auf Deutschlands Panzerlieferungen reichten von überschrittenen roten Linien bis hin zu «alle Ressourcen für den Sieg zu mobilisieren».

Etwas seltsam mutet an, dass dieselben Leute, die von dem Einmarsch überrascht waren, Putin also falsch eingeschätzt hatten, die Gefahr eines Einsatzes von Kernwaffen trotz entsprechender Rhetorik aus Russland als «niedrig» erachten (Stoltenberg). Währenddessen hat das «Bulletin of the Atomic Scientists» seine berühmte Weltuntergangsuhr auf 90 Sekunden vor Mitternacht umgestellt. Noch nie war die Gefahr eines atomaren Konflikts mit all seinen verheerenden Folgen nach Ansicht der Wissenschaftler so gross. Doch sucht man weiterhin vergeblich nach deeskalierenden Stimmen. Aber weder Waffenlieferungen noch Wirtschaftskrieg lindern das schlimme Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Kommentar aus factum 02/2023