factum: Herr Otte, in Ihrem 2006 erschienenen Bestseller «Der Crash kommt» haben Sie die Finanzkrise von 2008 vorausgesagt. Wie kam es dazu?
Max Otte: Für gute Prognosen müssen zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein: Die Ökonomen müssen völlig unabhängig sein und dürfen nicht unter dem Druck stehen, regelmässig Prognosen abgeben zu müssen. Bei mir kommt hinzu, dass ich mich neben der reinen Ökonomie auch viel mit Wirtschaftsgeschichte und politischer Ökonomie befasse. Traditionelle Ökonomen gehen davon aus, dass «die Märkte» – sprich die Menschen – ökonomisch rational handeln. Das ist aber oft nicht der Fall: Ganze Gesellschaften können eine Zeit lang verrückt spielen. Zudem habe ich lange nachgedacht und meine Prognose erst gemacht, als ich mir ziemlich sicher war. Die Zukunft ist zwar immer ungewiss, aber manchmal verdichten sich die Anzeichen. Schon 2004 las ich zum Beispiel eine Titelgeschichte in der amerikanischen Zeitschrift «Fortune» mit dem Titel «Ist der Haus-Boom vorbei?». 2005 legte der «Spiegel» mit einer Titelgeschichte nach: «Eine Welt voller Blasen». Und 2006 war es für mich klar: «Der Crash kommt». Als wahrscheinliches Datum habe ich sogar 2008 genannt.
factum: Die Konsens-Prognosen der Ökonomen lagen in den letzten Jahren oft diametral daneben. Anlegerinnen und Anleger wären gut damit gefahren, wenn sie jeweils aufs gegenteilige Szenario gesetzt hätten. Woran erkennt man einen vernünftigen wirtschaftlichen Ausblick?
Otte: Dafür gibt es kein Patentrezept. Benjamin Graham, der geistige Vater des «Value Investing» und der Fundamentalanalyse, sagte: «Es ist nicht richtig, mit dem Markt zu investieren. Und es ist nicht richtig, gegen den Markt zu investieren. Es ist richtig, im Einklang mit den Fakten zu investieren.» Grundsätzlich warne ich aber davor, aufgrund von Prognosen zu investieren. Das funktioniert meistens nicht. Besser ist es, auf die Qualität von Investments wie Aktien und Immobilien zu achten und langfristig zu investieren. In meinem jüngsten Buch «Endlich mit Aktien Geld verdienen» gehe ich darauf ein.
factum: Sie passen in kein Schema: Deutscher und Amerikaner, Kirchenkritiker und Christ, Ex-CDU-Mitglied und Bundespräsidentschaftskandidat der AfD. Was treibt Sie im Leben an?
Otte: Neben dem christlichen Glauben, der die Basis für alles ist und in dem ich bei meinen Eltern aufgewachsen bin, habe ich von meinem Vater auch ein «preussisches» Ethos des Dienstes an der Gemeinschaft mitbekommen. Mein Vater war sehr engagiert in der Kirchengemeinde und der Kommune. Ich setze mich für Rechtsstaat, Frieden und eine leistungsfähige und soziale Wirtschaftsordnung ein.
Im Übrigen sind Sie einem «Framing» aufgesessen: Ich war nicht «Bundespräsidentschaftskandidat der AfD». Laut Grundgesetz werden die Kandidaten von Mitgliedern der Bundesversammlung und nicht von den Parteien vorgeschlagen. Faktisch hat der von dem Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte Parteienstaat hier seine Finger drin. Die Parteien spielen im deutschen Grundgesetz, also der deutschen Verfassung, nur eine Nebenrolle. Sie haben sich faktisch aber zu zentralen Machtstellen entwickelt.
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