Eine neue Studie zeigt: Immer mehr jüdische Israelis kommen zum Glauben an Jesus. Gott wendet sich offenbar seinem Volk in besonderer Weise zu. Heute erfüllen sich prophetische Zusagen.
Thomas Lachenmaier
19. Juni 2018

Die Zahl der Israelis, die an Jesus als ihren Messias glauben, steigt einer Studie des «Israel College of the Bible» (ICB) zufolge sehr stark an. Dr. Erez Soref, der Präsident der theologischen Ausbildungsstätte in Netanya, an der jüdische und arabische Christen Theologie studieren, spricht von «exponentiellem Wachstum».

1948, im Jahr der Staatsgründung, gab es keine einzige Gemeinde von jesusgläubigen Juden, keine messianische Gemeinde in Israel. Dr. Erez Soref berichtete bei der Vorstellung der Studie, dass es heute 300 messianische Gemeinden in Israel gibt. Am 15. Mai 1948, am Tag der Wiedergeburt Israels, habe es in Israel 23 messianische Juden in Israel gegeben. Heute sind 30 000 jüdische Israelis Mitglied einer messianischen Gemeinde. Dazu kommt eine unbekannte Zahl an Menschen, die an Jesus glauben, aber (noch) nicht eingeschriebenes Mitglied einer Gemeinde sind. Der Glaube an Jesus als den Messias Israels und Erlöser verbreitet sich in Israel durch das persönliche Zeugnis offenbar sehr schnell. Eine Rolle spielt auch die Missionsfreudigkeit der israelischen Gläubigen und ihr professioneller Einsatz digitaler Medien.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als bereits die Mehrzahl der Bewohner im heutigen Israel Juden waren, hatte die anglikanische Kirche Englands beschlossen, es müsse in Jerusalem einen protestantischen Bischof geben. Sie betraute den ehemaligen Rabbiner von Norwich und Plymouth, Michael Solomon Alexander, Professor am «King’s College London», mit dieser Aufgabe. In der britischen Mandatszeit vor der Staatsgründung lebten mehrere hundert messianische Juden in Israel. Als die Briten ihren Weggang einleiteten und die umliegenden Nationen den Krieg erklärten und ihre Absicht über den Rundfunk klarmachten, «die Juden ins Meer treiben zu wollen», startete die britische anglikanische Kirche die Aktion «Grace» (Gnade) und brachte die Gläubigen mit Booten vom Hafen in Haifa ausser Landes. Fast alle hatten dieses Angebot angenommen, heisst es in einem Bericht des «Israel College of the Bible». Es blieben nur drei oder vier Familien zurück: die 23 messianischen Juden, die am Tag der Staatsgründung, am 14. Mai, in Israel lebten. Nur langsam stieg die Zahl der Jesusgläubigen an.

1967, als Israel entgegen jeder Erwartung den Krieg in sechs Tagen gewann, war ein Wendepunkt, sagt Dr. Soref. In den USA kamen mit der Bewegung der «Jesus-People» Tausende junge Menschen zum Glauben, viele von ihnen waren Juden. Viele dieser neuen jüdischen Gläubigen seien in den 70er-Jahren nach Israel eingewandert. Dem «Leib des Messias» habe dies in Israel einen «dringend benötigten zahlenmässigen und energetischen Schub» verliehen.

1989 gab es durch Dr. Jim Sibley den ersten Versuch, die messianische Gemeinde in Israel zu erforschen. Er zählte nur 30 messianische Gemeinden im ganzen Land. In der kleinen Gemeinschaft begann damals ein Prozess einer Indigenisierung, diese Christen wurden «einheimisch»: Die Sprache in vielen Gemeinden wechselte vom Englisch der Missionare zur lokalen hebräischen Sprache. Die übersetzten Lieder wurden durch hebräische Lieder ersetzt und ergänzt. «Wie ein junger Jugendlicher», schreibt Dr. Erez Soref, versuchte die immer noch kleine Gemeinschaft ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Es war damals noch nicht akzeptiert, an Jesus zu glauben. Begriffe wie «Christen» und «Kreuz» wurden vor allem mit der 2000-jährigen Judenfeindschaft und mit Verfolgung assoziiert. In den 1990er-Jahren war es zu einem massiven Zuzug von Juden aus Russland gekommen. Viele waren in der Diaspora von ihrem jüdischen Glauben entfremdet worden, aber gleichwohl geistlich auf der Suche. «Sie waren offen für den Glauben», berichtet Dr. Soref, manche kamen auch als Jesusgläubige nach Israel. Damals gab es um die 1200 messianische Juden in Israel.

1999 machte das «Jerusalemer Caspari Center für jüdische und biblische Studien», eine evangelische Bildungseinrichtung, eine Untersuchung. Sie zählten bereits 81 Gemeinden – in zehn Jahren fast eine Verdreifachung – und interviewten alle Gemeindeleiter. Mit 80 Prozent war der Anteil der Pastoren, die aus dem Ausland kamen, hoch. Die Zahl der Gemeindemitglieder war auf ungefähr 5000, auf das Vierfache, angestiegen. Dass es heute 300 Gemeindem mit 30 000 Mitgliedern gibt, ist eine sehr erstaunliche Entwicklung.

Es ist in Israel für viele noch immer eine Provokation, wenn jemand an «Jeschua HaMaschiach», an Jesus, den Christus, glaubt. 80 Prozent der messianischen Israelis berichten von Diskriminierung und stossen auf Unverständnis mit ihrem Glauben. Aber es wird in Israel jeden Tag selbstverständlicher, Jude und Israeli zu sein und zugleich an Jeshua, Jesus, zu glauben.

Die Studie des ICB ergab, dass 60 Prozent der Gläubigen in ihrer Familie die Ersten sind, die an Jesus glauben. Die nächstgrössere Gruppe ist die zweite Generation – ihre Eltern sind auch Gläubige. «Die Studie zeigt», so Dr. Soref, «dass wir ein junger Körper sind und dass der Grossteil des Wachstums nicht mehr von den Einwanderern oder Kindern ausgeht, sondern von Menschen, die den Herrn selbst kennenlernen.» Ein Ergebnis der Studie ist auch, dass die messianischen Juden sehr engagiert sind: 95 Prozent besuchen die Gemeinde an drei oder vier Wochenenden im Monat und 60 Prozent nehmen auch an einem Treffen unter der Woche teil. Hebräisch ist die Sprache in fast allen Gemeinden (92 Prozent), meist wird übersetzt (Englisch, Russisch, Spanisch, Deutsch und andere Sprachen).

Viele von ihnen sagen, dass sie dadurch, dass sie Jesus als ihren Herrn und Erlöser erkannt haben, erst zu ihrer vollen jüdischen und individuellen Identität gefunden haben. Die messianischen Juden haben damit eine starke Verbindung zu ihrem Volk, zur Geschichte Israels und zum Land Israel. In der Israelischen Verteidigungsarmee (IDF) haben sich die messianischen Christen einen sehr guten Namen gemacht, berichtet Dr. Soref. Die Gläubigen in der Armee werden von Geschwistern unterstützt, die sich diesem Dienst extra verschrieben haben. Es gibt eine messianische Organisation, die Gläubige intensiv auf ihre Zeit beim Militär vorbereitet. Das hilft dem Einzelnen, zu seinem Glauben zu stehen, auch wenn er vielleicht der Einzige seiner Einheit ist, der an Jesus glaubt. Es hilft ihnen, ihren Messias zu repräsentieren, wo immer sie auch sind.

Die an Jesus gläubigen Juden in Israel sind in verschiedene Richtungen und Zweige aufgefaltet – nicht anders wie dies in den Nationen der Fall ist. Es gibt Lutheraner und Baptisten und solche, die sich an Brüdergemeinden anlehnen. Viele messianische Juden haben unabhängige Gemeinden gebildet. Sie fühlen sich weniger den grossen Weltkirchen in den Nationen verbunden, als vielmehr den evangelikalen Gemeinden in den Nationen. In den Gemeinden sind auch Mitglieder, die keine jüdische Herkunft haben. Hier wird ganz deutlich, was Paulus im Epheserbrief geschrieben hat (Eph. 2,11–14): Der Zaun zwischen Beschnittenen und Unbeschnittenen ist abgebrochen.

Israel ist ein Land, in dem viel gesungen wird. Und das Singen spielt auch in den messianischen Gemeinden eine grosse Rolle. Anders als die ersten bekehrten Juden, die sich noch an den Gläubigen aus den Nationen orientierten und als «Judenchristen» bezeichnet wurden, finden die heutigen Gläubigen zu einem eigenen Liedgut. Die Texte sind oft ganz originale Bibeltexte. Die in Jerusalem lebende Journalistin Christa Gerloff schreibt: «Während die ‹hebräischen Christen› und die ‹Judenchristen› noch kunstvoll ins Hebräische übersetzte Choräle oder Erweckungslieder sangen, singen die messianischen Gemeinden heute ganz original: ‹Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen! Amen!› (Psalm 41,14); ‹Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, werden wir sein wie die Träumenden› (Psalm 126,1); ‹Gelobt sei der Herr aus Zion, der zu Jerusalem wohnt! Halleluja!› (Psalm 135,21); oder mit dem Apostel Paulus: ‹Ich glaube, dass ganz Israel gerettet wird!› (Römer 11,26). Die messianischen Gesänge klingen in Jerusalem sehr aktuell.»

Ungeachtet der Ablehnung, die viele messianische Juden in Israel erleben, sind sie von einer starken evangelistischen Haltung erfasst. Und sie stossen damit auf grosses Interesse. Der Atheismus, der in Frankreich oder Deutschland grassiert, ist den Israelis fremd. Die Frage nach Gott ist in Israel kein Tabu, wie etwa in Europa, sie ist allgegenwärtig und es wird darüber gesprochen. Jeden Monat suchen 22 000 Israelis auf Hebräisch im Internet nach «Jeschua» oder «Messias». «Es wird viel Mühe darauf verwendet», sagt Dr. Soref, «dass sie Antworten aus messianischer Sicht erreichen.» Damit spielt er auch auf die evangelistischen Websites an, die vom «Israel College of the Bible» und von Organisationen herausgegeben werden, die mit der Bibelschule verbunden sind. Die hebräischen Videos mit Selbstzeugnissen von Juden, die in Jeschua, Jesus, ihren Herrn erkannt haben (www.imetmessiah.com; «Ich habe den Messias getroffen»), wurden schon 14 Millionen Mal angeschaut. Das ist eine gewaltige Zahl, wenn man bedenkt, dass sieben Millionen der knapp neun Millionen Israelis Juden sind. Die evangelistischen Internetseiten werden auch von ultraorthodoxen Juden entdeckt, die in zum Teil sehr abgeschlossenen Gemeinschaften leben und deshalb wenig Chancen haben, einen Christen zu treffen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 04/2018.