Die heimische Hornmilbe ist eine geschickte Giftmischerin, wie Forscher der TU Darmstadt zeigen konnten. Oribatula tibialis wehrt sich mit Blausäure gegen Fressfeinde. Die Entdeckung gilt in Fachkreisen als Sensation, das Gift gehört sonst nicht zum Arsenal der 80 000 bekannten Arten von Spinnentieren.
factum-Redaktion
29. Mai 2017

Blausäure – chemische Summenformel HCN – gehört zu den stärksten bekannten Giften. Die nahezu farblose Flüssigkeit wird bereits bei etwa 25 Grad Celsius gasförmig, blockiert effizient die Atmungskette und führt so schon in kleinen Mengen zum Erstickungstod. Mit Blausäure unter dem Namen «Zyklon B» ermordeten die Nazis in Konzentrationslagern wie Auschwitz während des Holocausts Millionen Menschen in Gaskammern.

Die nur knapp einen halben Millimeter grosse Oribatula tibialis lebt in Moospolstern, Totholz und der Laubstreu heimischer Wälder. Wird sie von einem Räuber wie einer Raubmilbe oder einem Hundertfüsser attackiert, so gibt sie Mandelonitrilhexansäureester (MNH) über ihre Wehrdrüsen ab.

In der Natur wird das Gift von zahlreichen Pflanzen als Abwehrstoff produziert. Bekannt ist zum Beispiel die Bittermandel: Sie enthält Amygdalin, das wiederum beim Verzehr unbehandelter Mandeln die giftige Blausäure freisetzt. Im Tierreich ist Blausäure eine äusserste Seltenheit, braucht es doch eine stabile und sichere Speicherform, um die versehentliche Selbstvergiftung zu vermeiden.

(Artikel aus factum 4/2017)