Die Einführung der «Ehe für alle» wurde der Öffentlichkeit wie eine Art «politischer Unfall» verkauft. Urplötzlich sei das Thema von der Gesellschaft als dringend regelungsbedürftig erkannt worden.
Thomas Lachenmaier
21. Oktober 2017

Eiliger Handlungsbedarf, noch vor der parlamentarischen Sommerpause, sei notwendig geworden. Wie sich jetzt herausstellt, war die Entscheidung indes geschickt eingefädelt und der Ablauf bis ins Detail inszeniert mit dem Ziel, die «Ehe für alle» durchzudrücken, und dies möglichst ohne parlamentarische und öffentliche Debatte. Beides ist der Koalition unter Führung von Angela Merkel geglückt.

Die Entscheidung für die «Ehe für alle» ist kein Gesetz wie jedes andere. Es trifft ins Mark des zivilisatorischen und kulturellen Selbstverständnisses und der Grund-lagen des menschlichen Zusammenlebens. Es betrifft das Verständnis des Menschseins. Dass es dem Menschenbild der Bibel diametral entgegensteht und Gottes Willen und seine gute Weisung für die Menschen verwirft, mag nur noch eine Minderheit im Land erzürnen. Die Folgen werden indes nicht nur bekennende Christen zu tragen haben, sie treffen die ganze Gesellschaft.

Die Methode, mit der das Gesetz auf den Weg gebracht und durchgesetzt wurde, erinnert an das Gesetz zur Energiewende: jenseits der Vernunft, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne eine echte gesellschaftliche und parlamentarische Debatte und nicht nur deshalb am Rande der politischen Legitimität. Ausgelöst wurde der Entscheid durch eine vermeintlich spontane, etwas unbedachte Äusserung der Kanzlerin. Dann ging alles rasend schnell. Das staatliche Fernsehen und die Leitmedien von «Spiegel» bis «Süddeutsche Zeitung» forderten in einer Art Kampagne die möglichst sofortige Einführung der «Ehe für alle» – nicht ohne den Hinweis auf deren Alternativlosigkeit, da alles andere nicht mehr zeitgemäss sei. Die Verabschiedung eines Gesetzes, das noch kurz zuvor mit gutem Recht als verfassungswidrig bezeichnet wurde, galt plötzlich als überfällige Korrektur eines allgemein erkannten Missstandes, als Lappalie.

Wenige Wochen nach Verabschiedung des Gesetzes verplapperte sich Justizminister Heiko Maas in einem Interview mit den «Badischen Neuesten Nachrichten». Vielleicht war es aber auch einfach die Arroganz des Mächtigen, der weiss, dass sich jetzt ohnehin keiner mehr darüber aufregt. Er berichtete dem Interviewer, der wegen des rasend schnell durchs Parlament geschleusten Gesetzes besorgt nachfragte, ob das dann mit heisser Nadel gestrickt gewesen sei, ganz locker: «Nein, der Gesetzesentwurf lag schon monatelang vor.»

Dieses Bekenntnis ist eigentlich eine Ungeheuerlichkeit. Um eine öffentliche Debatte zu vermeiden und den Gegnern des Gesetzes die Zeit zu nehmen, ihre Argumente vorzubringen und gegebenenfalls Protest zu organisieren, wird das Gesetz klammheimlich zu Papier gebracht. Um dann durch eine «Bemerkung am Rande» die Forderung nach «dringendem Handlungsbedarf» abzurufen. «Die Zeit war längst reif für die ‹Ehe für alle›», sagte der Minister noch abgeklärt, «das war ein Glücksfall für unser Land.» Es war kein Glücksfall. Es war eine fein säuberlich choreografierte Ungeheuerlichkeit – ein Markstein auf dem Weg von einer postmodernen zu einer posthumanen Gesellschaft.

(Artikel aus factum 7/2017)