Chemische Tests des Mörtels zwischen dem anstehenden Fels aus Kalkstein und der abdeckenden Marmorplatte auf dem «Grab Jesu» in der Jerusalemer Grabeskirche ergaben eine ungefähre Datierung von 345 n. Chr. Damit bestätigt sich die Annahme, dass es sich um jene Stätte handelt, die Kundschafter von Kaiser Konstantin für das Grab Jesu hielten und mit einer Marmorplatte überdeckten, um sie zu kennzeichnen und zu schützen.
Uwe Siemon-Netto
18. Februar 2018

Angesichts der turbulenten Geschichte der Kirche, die im Jahre 1006 völlig entkernt worden war, waren Historiker skeptisch, ob das heutige traditionelle Grab Jesu tatsächlich der ursprüngliche Standort ist. Im Oktober 2016 legten Archäologen bei Renovierungsarbeiten zum ersten Mal seit Jahrhunderten die Marmorplatte frei. Die Mörtelproben wurden unabhängig voneinander in zwei getrennten Laboratorien mit Hilfe von optisch stimulierter Lumineszenz (OSL) datiert, einer Technik, die ermittelt, wann Quarzsediment zuletzt Licht ausgesetzt war. Der Mörteltest stützt die Theorie, dass es sich um den Standort handelt, der zur Zeit von Konstantin für das Grab Jesu gehalten und entsprechend behandelt wurde.

Fast 300 Jahre nach Jesu Kreuzigung sandte der christliche Kaiser Konstantin (272–337 n. Chr.) Kundschafter nach Jerusalem, um Jesu Grab zu suchen. Sie wurden auf einen etwa 200 Jahre zuvor errichteten römischen Tempel hingewiesen. Den zerstörten sie und fanden darunter eine Höhle mit einem in den Fels gehauenen «Begräbnisregal» im Stil der Zeit. Darüber wurde das Edicule – «Grab Jesu» – errichtet. Es befindet sich heute in der Grabeskirche, die später um dieses Edicule herum errichtet wurde, um einen Anbetungsort für die Gläubigen zu schaffen.

Vor 2000 Jahren war es Sitte, die Toten erst in einer Höhle verwesen zu lassen und dann, nach 6 Monaten, ihre Knochen einzusammeln und in sogenannte Ossuarien, steinerne Grabkästen, zu legen. Auf die Kästen wurde meist der Name des Verblichenen eingeritzt. Selbstverständlich gibt es keine archäologischen Beweise dafür, dass Jesus hier nach der Kreuzigung aufgebahrt wurde. Aber ein Geheimnis um das Grab ist durch die Untersuchung gelüftet worden: Die chemische Untersuchung des Mörtels ergab eine klare Datierung. Das ursprüngliche «Bestattungsregal» aus Kalkstein wurde ebenso wie die Kalksteinwände intakt gefunden.

(Artikel aus factum 01/2018)