Der deutsche Paläontologe Dr. Günter Bechly war ein überzeugter Vertreter des Neodarwinismus. Bis er eine Evolutionsausstellung zu kuratieren hatte und sich mit den Gegenargumenten befasste.
Timo Roller
3. Februar 2018

«Bechlya ericrobinsoni» ist der wissenschaftliche Name einer Kleinlibellenart aus dem Erdaltertum. «Gorgopsidis bechlyi» heisst eine Springspinne aus dem Baltischen Bernstein. Diese beiden und vier weitere fossile Insektenarten sind nach Günter Bechly benannt, einem deutschen Paläontologen und Spezialisten für Bernstein und Insekten. «Bechlyidae» ist gar die wissenschaftliche Bezeichnung für eine Familie von Kleinlibellen aus dem Oberkarbon. Insgesamt hat Bechly über 160 neue Arten beschrieben.

Internationale Beachtung fand seine Beschreibung der neuen fossilen Insektenordnung der Chimärenflügler im Jahre 2011. Unter anderem deswegen ist Günter Bechly nicht nur in der deutschen Wikipedia aufgeführt, sondern war auch in der englischsprachigen Wikipedia verzeichnet.

Aber dieses «war» bedeutet Vergangenheit. Denn der Artikel über ihn in der englischen Version des Online-Lexikons wurde vor Kurzem gelöscht. Ebenfalls fast spurlos verschwunden sind etliche seiner wissenschaftlichen Arbeiten, die zuvor auf der Homepage seines ehemaligen Arbeitgebers verlinkt waren, des Naturkundemuseums in Stuttgart.

Dort hat Günter Bechly 17 Jahre lang als Kurator für Bernstein und fossile Insekten gearbeitet, bis er Ende des Jahres 2016 seinen Job verlor. Der Grund: Er hatte eine Art Todsünde im Wissenschaftsbetrieb begangen und öffentlich Zweifel an der Evolutionslehre geäus-sert. Auf seiner privaten Internetseite legte er seine Weltanschauung dar und bekannte sich zum biblischen Schöpfergott als intelligenten Designer des Lebens. Zugleich stellte er aber auch klar, dass seine berufliche Arbeit am Museum strikt von seinen Schlussfolgerungen getrennt sein würde und er unverändert alle wissenschaftlichen Ansprüche an seine Arbeit einhalten würde.
Diese Zusage änderte aber nichts daran, dass Kollegen nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wollten und die Museumsleitung ihm wichtige und für ihn prädestinierte Projekte entzog, wie eine für das Jahr 2018 geplante Bernsteinausstellung in Stuttgart. Die Evolutionstheorie gilt im Wissenschaftsbetrieb und darüber hinaus als bewiesene Tatsache. Zweifel daran werden auf mangelnde Bildung oder auf einen «fundamentalistischen» Glauben zurückgeführt. Christlicher Glaube muss sich heute mit der Theorie von der Evolution arrangieren, sonst gilt er als rückständig. In der Wissenschaft ist die Evolutionstheorie (zumindest an der Oberfläche) unumstritten. Wer das vorgegebene Raster verlässt, riskiert, zumindest in der Biologie, seine Reputation.

Besonders interessant ist natürlich: Wie kam es zur Gesinnungsänderung von Günter Bechly? Er studierte zunächst in Stuttgart, dann in Tübingen, wo er schliesslich über die Stammesgeschichte der Libellen promovierte. 1999 begann er seine Arbeit am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. Im Darwinjahr 2009 fiel ihm als Kurator eine besondere Aufgabe zu: Er wurde zum Projektleiter für die Sonderausstellung «Evolution – Der Fluss des Lebens» ernannt.

Die Lehre Darwins wiegt schwerer als sämtliche Kritik von Kreationisten und Intelligent-Design-Anhängern: So lautete die Botschaft eines besonderen Ausstellungsstücks – einer Waage mit Darwins «Über die Entstehung der Arten» auf der einen Seite – und auf der anderen Seite Bücher von Kritikern mit ihren vermeintlich wenig belastbaren Argumenten. Günter Bechly selbst hatte diese Idee zur Veranschaulichung des angeblich unvernünftigen Widerstands gegen die Evolution und er bestellte die Bücher für deren Umsetzung. Dann schaute er aus Neugier hinein – und wunderte sich: keine hanebüchenen, religiös verbrämten und pseudowissenschaftlichen Argumente, sondern berechtigte Anfragen an die vorherrschende Lehrmeinung in hoher fachlicher Qualität.

Nicht fundamentalistische Eiferer wetterten da gegen eine feindliche Theorie, sondern kundige Wissenschaftler führten gewichtige Belege gegen die natürliche Entstehung des Lebens und seiner Baupläne ins Feld. Günter Bechly kam ins Fragen, machte sich auf die Suche nach Pro und Kontra. Wurde konfrontiert mit Vorurteilen und Voreingenommenheit auf der eigenen Seite – auf der Seite der als objektiv geltenden Wissenschaft. Er fand aber auch andere, die ebenfalls Zweifel hatten, diese aber lieber verschwiegen.

Schliesslich fand er für sich das, was er am wenigsten wollte, was er zuvor verachtete: den christlichen Glauben. Er ging mit seinen Zweifeln an die Öffentlichkeit, wurde zum Störfaktor. Am Ende musste er seinen Job aufgeben.

Auf seiner (englischsprachigen) Homepage sagt er über seinen Glauben: «Ich bin ein römisch-katholischer Christ und widersetze mich entschieden dem Atheismus, dem Materialismus, dem Naturalismus und dem Scientismus. Ich bin kein Christ geworden, obwohl ich Wissenschaftler bin, sondern weil ich Wissenschaftler bin. Mein Umdenken gründet sich auf einer kritischen Bewertung empirischer Daten und philosophischer Argumente. Ich folgte den Beweisen dahin, wohin sie mich führten. Aus rein wissenschaftlichen Gründen zweifle ich an der neodarwinistischen Theorie der Makro-evolution und befürworte die Theorie des ‹Intelligent Design› aus rein wissenschaftlichen Gründen.» Nach wie vor ist er am Suchen nach einem seiner Ansicht nach möglichst stimmigen Weltbild: An eine kurze Erdgeschichte, wie sie die Chronologien der Bibel nahelegen, kann er nicht glauben. Er möchte das Buch Genesis eher spirituell interpretieren.

Auf seiner Homepage beschreibt er auch eine für ihn prägende Podiumsveranstaltung zum Darwin-Jahr am 24. November 2009. Unter dem Motto «Design ohne Designer» waren neun Teilnehmer auf dem Podium, die das nach Bechlys Ansinnen spannende Thema von verschiedenen Seiten beleuchten sollten. Es war nun – fast acht Jahre später – für mich als Journalist interessant, beim ersten Aufeinandertreffen von Günter Bechly mit einem der einstigen Podiumsteilnehmer dabei zu sein. Reinhard Junker von der Studiengemeinschaft «Wort und Wissen» schrieb damals über die Veranstaltung mit 200 Besuchern: «In den kurzen Abschluss-Statements der Redner fiel auf, dass die Evolutionsbefürworter sich in einer Weise über den Design-Ansatz äusserten, als ob vorher von den Befürwortern nichts dazu gesagt worden wäre.» Eine offene Diskussion war also nicht zustande gekommen. Obwohl man Evolution «vehement als Tatsache verteidigt[e]», wurde «öfter eine Art Schöpfungsvokabular [benutzt], das im Zusammenhang mit evolutiven Prozessen auf Junker» «verräterisch» wirkte.

Leider waren damals – so Günter Bechly – von der Museumsleiterin Audio- und Videomitschnitte ausdrücklich verboten worden, sodass Reinhard Junker wohl recht hatte, wenn er schrieb, dass die Eindrücke der Besucher «sicher recht unterschiedlich [waren], je nach Färbung der ‹Brille›, durch die man das Gehörte bewertet». Für Günter Bechly jedenfalls war die Veranstaltung ein Mosaikstein in seinem Wandel vom Atheisten zum Christen.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 01/2018.