Der Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands, Janis Vanags, äusserte sich in einem Interview, das Pastor Dr. Joachim Cochlovius vom Gemeindehilfsbund mit ihm führte, über die Situation des Christentums in Europa. Er beschrieb die Sachlage als «kompliziert», weil «die Anfechtungen und die Angriffe auf das Christentum jetzt oft aus der Kirche selber kommen». Er warnte vor «Konformismus mit dem Zeitgeist». Das sei es, «was die Kirche tötet». Besorgt zeigte er sich im Blick auf die europäische Zivilisation.
factum-Redaktion
24. April 2018

Über die Entwicklung in Amerika sagte Janis Vanags: «In den USA gibt es schon direkte Angriffe und Unterdrückung von Christen, wenn christliche Unternehmer ruiniert werden, weil sie keinen Kuchen gebacken oder keinen Fotografen geschickt haben für gleichgeschlechtliche Trauungen. Das wird über Gerichte abgewickelt, und das ist schlimm. Und es gibt sogar einen Beschluss christlicher Leiter, die diese staatlichen Repressalien gutheissen. Diese Entwicklung hat unter Obama begonnen. Amerika ist nicht mehr das gleiche Amerika wie vor zehn Jahren, die Veränderungen sind spürbar christenfeindlich. In Europa hört man davon noch nichts, aber es wird möglicherweise auch dort dazu kommen. Aber das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche. Verfolgungen sind ein Reinigungsmittel für die Kirche. Aus der schwedischen Kirche hat mir jemand gesagt, dass er darauf hoffe, dass die Kirche arm wird, weil dann die Politiker das Interesse an ihr verlieren und sie sich wieder selbständig entwickeln kann. Vielleicht ist daran etwas Wahres.

Ich bin im Blick auf das Christentum nicht pessimistisch, aber im Blick auf die europäische Zivilisation. Europa führt zur Zeit einen Selbstmord durch, und zwar durch die Absage an die christlichen Wurzeln. Eine Zivilisation ist nur stark und wächst nur, wenn sie ein Ideal bzw. eine Idee hat. Wenn das Ideal verlorengeht, dann wird die
Gesellschaft älter und schwächer und verschwindet. Das hat in den 70er-Jahren angefangen. Die postmoderne Ideologie bestreitet, dass es eine objektive Wahrheit und eine objektive Moral gibt. Und dann wird die Tür aufgemacht für Millionen von Einwanderern, die eine sehr starke Identität und sehr starke Ideale haben, die sehr vital und fruchtbar sind und eine gegen das Christentum gerichtete Ideologie haben. Gleichzeitig werden christliche Asylbewerber abgewiesen und werden zurückgeschickt nach Pakistan oder in den Iran, wo ihnen die Todesstrafe droht, weil sie den Iran verlassen haben. Arnold J. Toynbee sagte, dass Zivilisationen ihre Existenz durch Selbstmord beenden. Das ist das, was jetzt mit Europa geschieht.»

(Artikel aus factum 03/2018)